Читать книгу Nicht Anfang und nicht Ende. Roman einer Rückkehr онлайн

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Nein, heute macht sich niemand mehr einen Begriff davon, wie wir uns damals plagen mussten. Einsam und verloren – aber heute scheint es mir, dass ich alles gern wieder auf mich nehmen möchte, wenn ich das Roseto von einst wiederfinden könnte: ohne Auto, ohne einen einzigen Motor, nichts als das Rauschen des Baches unter den Erlen … Doch damals lastete die Stille schwer auf uns. Auf der Alp sahen wir oft wochenlang keine anderen Gesichter als unsere eigenen; und wir konnten noch von Glück sagen, wenn das Wetter schön war und wir einander überhaupt sehen konnten, sooft wir die Augen vom Melk­eimer hoben. Es gab Jahre, in denen es nicht aufhören wollte, zu regnen und zu nebeln. Wenn wir morgens aufwachten, spürten wir schon in allen Knochen die Nässe, die draußen auf uns lauerte. Dann hatten wir den ganzen Tag lang nicht einmal Lust zum Reden; gerade nur das Allernötigste, ein paar einsilbige Worte und hie und da einen Fluch, den unser Vater absichtlich überhörte. Täglich wurden wir wilder und rabiater, bis wir keinen christlichen Gedanken mehr zusammenbrachten. Als wir noch klein waren, das er­innere ich mich, pflegte der Vater Samstag von der Alp Sologna bis Costa herunterzukommen, der Mutter entgegen, die ihm die Vorräte für die nächste Woche brachte. Wir Kinder, Antonio, Maria und ich, sahen vom Motto della Croce in Corte Grande aus zu, wie das weiße Pünktchen, die gerla unserer Mutter, den Weg hinanstieg, so weit er zu erblicken war; wir schrien und riefen, obwohl sie uns nicht hören konnte. Als alte Frau erzählte uns die Mutter, dass sie auf diesem Stück Weges langsam ging, weil sie wusste, dass wir dort standen und nach ihr ausschauten. Ich erinnere mich auch, dass der Südwind uns auf der Alp ein paar Mal den Widerhall der großen Glocke zutrug, und der ferne Klang machte uns sehr traurig. Es war je­mand gestorben, und wir wussten nicht, wer.

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