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Er mußte eine Viertelstunde warten, um an die Reihe zu kommen, und während dieser Viertelstunde nahm seine Erregung langsam zu. «Was für ein Blödsinn!» sagte er sich. «So werde ich nichts treffen, das ist doch klar. Warum rege ich mich eigentlich auf? Die ganze Geschichte ist ja nicht der Rede wert.» Dies suchte er sich einzureden, aber der dunkle Antrieb seines scheinbar harmlosen Unternehmens verlor den Stachel nicht. Im Grunde beherrschte ihn doch der merkwürdige Ehrgeiz, im Hinblick auf die Tüchtigkeit der Sinne und die Herrschaft über sich selber es wenigstens in bescheidenem Maße diesen einfachen Männern gleichzutun und ein Probestück zu wagen, das in intellektuellen Kreisen mißachtet, vom Volk aber naiverweise geschätzt wurde.

Endlich konnte er antreten. Mit gespielter Gelassenheit warf er das Büchlein dem Warnerknaben aufs Pult, verlangte «Kehr» und legte sich auf die Matratze. Er machte das Gewehr zum Schuß fertig, schlug es an und schmunzelte bei allem Ernst nun doch über die wunderlich erregende Lage, in die er sich da begeben hatte. Sorgfältig suchte er, durch den Visiereinschnitt äugend, das schwankende Korn unter dem runden Schwarz der Scheibe festzuhalten, aber eben das erwies sich als besonders schwierig, das Korn wollte nicht stillstehen, und schließlich drückte er aufs Geratewohl ab. Es geriet nicht wohl, der Schuß saß nicht einmal im Schwarzen, geschweige denn in der Nummer. Er nahm sich ernstlich zusammen, zielte genauer und drückte den zweiten Schuß im richtigen Augenblick ab, aber beim Abdrücken zog er die Waffe unmerklich ein wenig nach unten, er «verzog» den Schuß und fehlte das Schwarze abermals. Beharrlich versuchte er es von neuem, doch erst der fünfte Schuß gelang ihm ruhig und genau; er traf das Schwarze, aber noch nicht die Nummer, während der nächste Schuß, der ihm mißlungen schien, zu seiner Erheiterung mitten in der Nummer saß. Die folgenden zwei Schüsse ergaben Treffer am linken Rand des Schwarzen, worauf er den Zielpunkt etwas nach rechts verlegte und endlich eine verdiente Nummer schoß. Auf denselben Zielpunkt löste er den letzten Schuß, mit dem er zu seiner Verwunderung das Schwarze wieder fehlte; er hatte scheinbar genau gezielt und ruhig abgedrückt, aber das Auge mußte einer der dutzend optischen Täuschungen erlegen sein, die durch den Wechsel des Lichtes bewirkt werden, und so hatte er denn, einen bekannten Fehler begehend, den Schuß «versehen».

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