Читать книгу Friedrich Glauser. Erinnerungen онлайн

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Ich sehe ihn noch, nachdem wir einige Monate gleichzeitig in Ascona verbracht hatten, wo man sich in den verschiedensten Kreisen ständig traf und stritt oder aus dem Wege ging, auf dem Perron in Bellinzona mit einer großen Schreibmaschine in der Hand nervös, zigarettenrauchend und auf den Zürcher Zug wartend, auf- und abgehen. Ich stand mit einer jungen Dame etwas abseits, und so grüßte Glauser nur flüchtig und zugleich abwesend zu mir herüber, innerlich zerrissen, wie mir schien, auf der Flucht vor sich selber und vor lästigen Gläubigern, wie ich später erfuhr. Damals ging er nach Genf, kam dort in größtes Elend, wurde Milchausträger und fuhr, der Verzweiflung vollends in die Arme getrieben, nach Frankreich, um sich von der Fremden legion anwerben zu lassen.

Ich habe Friedrich Glauser nach jenem Begegnen auf dem Bahnhof in Bellinzona nie mehr wiedergesehen. Ich weiß nichts oder nur das, was mir gemeinsame Freunde berichteten, aus seinem späteren Leben und abenteuerlichen Dasein, da ich bald darauf wieder ins Ausland ging. Ich las dann seine Novellen aus Afrika und die nachfolgenden Kriminalromane, erstaunt und befremdet über diesen «Abstieg» des einst so Hochgemuten, dem nichts gut genug war, wenn es sich um Dichtung oder Kunst handelte. Thematisch hatte nun also dieser schwergeprüfte und herumgeworfene Abenteurer in ihm kapituliert und sich dem gängigen Reißer und Unterhaltungsroman zugewendet. Sein großes Können aber und seine Fabulierbegabung waren ihm auch auf diesem etwas abschüssigen Gebiet der Asphaltwirkungen treu geblieben. Zweifellos hatte die Seele dieses ungewöhnlichen Schriftstellers im Leid der Jahre und der Not gelitten, dazu kam die Krankheit, und während schon die Todesfahnen seinen flackernden Geist umwehten, schrieb er noch diese gefeilten psychologischen Detektivromane, die ihm nun durch deren Verfilmung posthumen Ruhm verschaffen, dessen er zu Lebzeiten so dringend bedurft hätte! Wie anders wäre sein Werk wohl ausgefallen, hätte dieser übersensible, hochkultivierte und künstlerisch begnadete Dichter einen geruhsameren Weg gehen dürfen! Auch in Friedrich Glauser selber «regierte Matto»! Ein kranker, ewig sehnsüchtiger, nach den Sternen des Lasters und der Verzückungen greifender Geist sprengte in diesem genialen Literaten immer wieder die Bande der Vernunft und trieb ihn jeglichem Exzess in die Arme! Die Dämonen in seinem Blute waren stärker als die Engel zu seinen Häupten, und so verstummten die Musen und überließen den Todgeweihten jenen dunklen Mächten, die heute mehr denn je unsere Welt beherrschen.

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