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Damals gab es im Café «Odeon» in Zürich eine Art europäische Literaturbörse. Dichter, Publizisten und Romanciers der kriegführenden Länder, unter ihnen Franz Werfel, Stefan Zweig, Klabund, Frank Wedekind, Leonhard Frank, Romain Rolland, Maxim Gorki, Barbusse und viele andere, waren zu uns gekommen, um in der freien und unkriegerischen Atmosphäre der Schweiz ihr Werk unbehindert von Chauvinismus und beginnender Not fortsetzen zu können. (So großzügig waren damals die jeweiligen Regierungen noch, dass sie diejenigen unter ihren schöpferischen Elementen, die mit dem Kriegsgeschehen nichts zu tun haben wollten oder aus Krankheitsgründen Erholung brauchten, über die Grenzen gehen ließen!)

In diesem Kreise im «Odeon» verkehrte auch Friedrich Glauser, dessen Vater damals noch, wenn ich mich nicht irre, amtierender Schweizer Konsul in Mannheim war. Der junge Schriftsteller, der sozusagen noch nichts Nennenswertes außer einigen Gedichten publiziert hatte, wirkte auf uns alle, die wir mit ihm zusammenkamen, irgendwie faszinierend. Er war zwar gebürtiger Berner, aber er hätte ebenso gut Franzose oder Welschschweizer sein können. Nichts spezifisch Alemannisches war an ihm. Schon seine Fähigkeit, zu plaudern und in einem leicht sarkastischen Tonfall über Dichter und deren Werke zu urteilen, treffsicher und tiefschürfend analysierend, muteten gallisch an. Glauser verfügte über einen romanischen Esprit, der ihm angeboren zu sein schien; und mühelos überschüttete er den jeweiligen Partner mit einer Fülle geistreicher Aperçus, mit denen er nicht selten seinen Diskussionsgegner, der nur sachlich zu argumentieren gewohnt war, in Verlegenheit brachte. Es war ein wirklicher Genuss, mit diesem jungen Literaten sich über die damalige europäische Dichtung auseinanderzusetzen. Glauser war ein begeisterter Anhänger der Modernen, die man heute als «Surrealisten» bezeichnet. Er schätzte einen Heinrich Mann höher ein als seinen berühmteren Bruder Thomas, über dessen Bürgerlichkeit er spöttelte. Leonhard Frank, Klabund, Franz Kafka unter den Jungen waren seine «Götter». Dabei war er selber durchaus Autodidakt geblieben und lachte über jene, die sich lernhungrig auf den Hochschulen abmühten, ein ordentliches Deutsch und eine gute Allgemeinbildung sich anzueignen. Er hatte dies alles in sich, er bezog sein Wissen und Können aus der Lektüre der Bücher, sein klares Urteil und seine ungewöhnliche Formulierungsgabe würden manchen Dozenten beschämt haben. Durch und durch war dieser junge Mensch von Kultur getränkt, und niemand aus seiner Umgebung zweifelte an seiner Berufung, als künftiger Autor einen großen Weg vor sich zu haben.

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