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In Wirklichkeit war er nicht sechzehn, sondern einundzwanzig, Chemiestudent im ersten Semester, der Friedrich Glauser, und freilich war er wehrlos, auf der Flucht vor einer übermächtig lastenden Welt. Schon war er dem Äther verfallen, und dann, nach einer Lungenblutung, griff er zum Morphium. Frühe Mutterlosigkeit mochte die Lebens- und Weltangst erklären, der die Rauschgiftsucht entsprang. Nach ein paar Jahren schien er rettungslos auf der abschüssigen Bahn der Gefährdeten, der Verlorenen, der Ärmsten der Armen. Er war in das Stadium geraten, wo der Süchtige unbedenklich Rezepte fälscht, stiehlt, einbricht, um das begehrte Gift zu ergattern. Er wurde für verrückt erklärt, in die Heil- und Pflegeanstalt Münsingen gesteckt und der Amtsvormundschaft unterstellt. Die Kette der dunklen, herzbrechenden Ereignisse riss nicht ab. Flucht aus Münsingen, ein Jahr Ascona, Stationen in Zürich und Baden, Morphium, Kokain, Opium, Flucht, zwei Jahre Fremdenlegion, nachher Geschirr wäscher in Paris, Grubenhandlanger in Belgien, Selbstmordversuch, Spital, Krankenwärter, Irrenhaus, Abtransport in die Schweiz, Versorgung wegen «liederlichen Lebenswandels» in der Strafanstalt Witzwil. Dann ging er in eine Baumschule nach Liestal, erwarb das Gärtnerdiplom, fiel in die Sucht zurück, stahl Opium und begab sich zur Entwöhnung nach Münsingen. Er blieb vier Jahre interniert. In dieser Zeit erlangte sein Name literarische Geltung. Man schrieb 1936. Dem Vierzigjährigen standen viele Fältchen im Gesicht; er sah nicht mehr jünger aus, als er war. Man glaubte ihm den Fremdenlegionär, dessen Haut die afrikanische Sonne gegerbt hatte. Gerne unterzeichnete er etwa Briefe an den Freund mit «ton caporal». Selbstironie und Kameradschaft, die er in diese Floskel fasste, strahlten auch aus seinen großen, klugen, wissenden Augen. In Nervi, mitten in einer neuen Genesung, mitten in der Arbeit, voller Pläne, voller Hoffnung auf endliche Stetigkeit, auf Heimkehr, auf Sesshaftigkeit in der Schweiz, starb Friedrich Glauser am 8. De zember 1938.