Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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Das junge Paar kauft sich schicke Möbel nach der damaligen Mode, Jugendstil, und nimmt sich im tonangebenden Neubauquartier am Dorfrand von Wohlen eine Wohnung. Es ist das Quartier des technischen Fortschritts und des neuen Reichtums, der Weltläufigkeit und Urbanität. In dessen Zentrum steht der Bahnhof, während die Kirche, der althergebrachte Mittelpunkt dörflichen Lebens, vom Bahnhof aus gesehen in die Ferne gerückt ist. Im Neubauquartier ragen die Türmchen der schmucken Villen der neuen Machthaber in den Himmel.
«Strohbarone» werden sie genannt. Ihren Aufstieg verdanken sie der Industrialisierung, die aus vifen Geflechthändlern global operierende Fabrikbesitzer und Unternehmer gemacht hatte. Im Freiamt, einem lang gezogenen Landstrich, der zur Innerschweiz hin verläuft, war Wohlen einst ein armes Bauernnest. In kinderreichen Familien wurden in Heimarbeit aus Stroh, Rosshaar und Hanf Verzierungen für Sommerhüte geflochten, und die Händler brachten das Geflecht in Kutschen bis nach Sankt Petersburg. Nach 1860 beginnt ein schneller wirtschaftlicher Aufstieg, dicht gedrängt entstehen Fabriken, in denen Stroh gebleicht, gefärbt, zu Bändern und Bordüren geflochten und zu Hüten zusammengenäht wird. Bald folgt Wohlens Anschluss an die Südbahn, die geflochtenen Bänder werden in Waggons verladen und andernorts weiterverarbeitet. Kein anderes Dorf im Aargau geht derart mit der neuen Zeit, und als Zeichen dieses Fortschritts lassen sich die «Strohbarone» links und rechts der Bahngeleise nieder, umgeben ihre Anwesen mit kleinen Parks und viel Schmiedeeisen, und sie sorgen dafür, dass Wohlen auch bald ein eigenes Elektrizitätswerk und Telefonanschlüsse erhält.