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«Für jemand wie Sie möchte ich die Augen zwei Minuten schließen, sie wieder öffnen und das Land ohne Schnee sehen.»
«Oh, sieh nur, wie er herunterkommt!»
«Es wäre Zeit, dass dieses Im-Schnee-Stapfen ein Ende nimmt», sagt Dionigi, der vorübergeht, «ich weiß nicht mehr, wo ich die Hände hinstecken soll.»
Er hält sie immer in der Tasche. Heute Nacht wird er auf eine Färse Acht geben müssen, die kalben soll. Wenn im Dorf keine Menschen mehr geboren werden, ist es doch schön, dass Tiere geboren werden.
In der Osteria erzählt er mir von Gemüsesuppen mit ganz fein geschnittenen Kräutern aller Art, während ich ihm von Frauen erzähle; ich könnte sein Sohn sein, und wie hört er mir zu, wenn ich ihm von Frauen erzähle! Ein andermal kommt Jole an die Reihe; später erscheint auch ihr Vater in der Osteria, der hiesige Polizist. Bei diesem Wetter ist auch er immer unterwegs, wie die Stallkatze. Ihn zu sehen ist für mich ärger, als wenn ich sehe, wie es schneit; vielleicht denkt er das Gleiche von mir. Wir sind hier im Dorf die beiden Angestellten der Regierung. Von dem einen Tischende zum andern betrachten wir uns genauso, wie wenn unsere Blicke sich durch die Scheiben und den fallenden Schnee hindurch begegnen, er an seinem Fenster, ich an dem meinen, um Jole zu sehen – sie ist seine Tochter; niemand, der es nicht weiß, würde das sagen. Oft glückt es keinem von uns beiden, den notwendigen Schritt nach rückwärts zu tun, mit der Dunkelheit zusammenzufließen. Er bleibt aufgerichtet am Vorhang stehen, wie in seine Uniform eingemauert. Was treibt ihn ans Fenster? Nicht das, was mich hintreibt: Ob er im Stillen solche Empfindungen hat wie Alfonsos Luigi? Er holt sein Kind jeden Abend von der Schule ab, und wenn die Buben das Gebet aufsagen, nimmt auch er die Mütze ab und bekreuzigt sich, und es ist ihm vollkommen gleichgültig, ob ein anderer ihn beobachtet. Wenn wir hier lebend herauskommen, trägt er Mitte August das Banner für die Muttergottes. Auch jetzt, wo die Kraft der Arme nichts mehr zählt – sein Gesicht ist weißer als meines –, beneide ich ihn um seine Kraft; dass er den Sohn jedes Mal nach Schulschluss auf die Schultern nimmt und die ganze Straße hinunter nach Hause trägt, macht ihm gar nichts aus.