Читать книгу Der lange Winter. Roman онлайн

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Und dann haben sich weitere Häuser geleert; der Aufbruch vieler sowie manche Todesfälle bewirken, dass die Zurückbleibenden einander wenigs­tens etwas näher kommen. Jetzt, wo wir nur noch diese paar Leute sind, nennt niemand mehr die beiden «die tollen Geißen», die instinktiv dazu neigen, sich von der Herde abzusondern. Verena macht Torten und Liköre, wie unsere Frauen sie nicht zu machen verstehen; bei Verena lebt fast das ganze Jahr ihre Nichte Vanda, die nun auch schon mehr hierher als auf die andere Seite des Berges gehört, und oft ist Linda, Verenas Schwester, da, und wenn jemand will, dass ich rot werde, so braucht er nur zu sagen, sie sei meine Liebste – man muss nicht besonders scharf aufpassen, um das zu bemerken.

Nach so vielen Tagen Schnee wandern am Himmel einige helle Stellen umher, ein blasses Blau zwischen breiten, schmutzigen Wolken. Inzwischen haben wir nichts unterlassen, wir haben zu den Heiligen gebetet, haben die drei- und die neuntägigen Andachten abgehalten. Adele sagt, man solle die Reliquien ausstellen, und da gerade ein Tag Ruhe ist, kommt auch der Priester herauf, uns eine Messe zu lesen, die wir nötiger brauchen als das Brot, das wir essen. Nachdem die Messe, ohne Predigt, gelesen war, haben der Priester und die Frauen uns am Schluss alle Beschwörungsformeln gelesen und danach die Gebete, wie sie der Heilige Vater vorschreibt. Sonst tun wir nur das Übliche, aber auch wir halten uns an die Vorschriften des Papstes. Nach der Messe steigen wir alle hinauf ins Dorf. Angesichts des Berges, von dem man deutlich nur den Fuß sieht, den mit Schneeflecken bedeckten Lärchenwald, liest der Priester erneut die Beschwörungsformeln. Es ist kalt, er liest, ohne den Blick von seinem kleinen Messbuch zu heben. Er wendet sich an den Berg, als wolle er ihn daran erinnern, dass auch er von Gott geschaffen ist, auch wenn das Gebet den Berg nicht ausdrücklich anklagt. Wer kann sagen, ob der Berg ihm zuhört oder nicht, ob er geneigt sein wird, ihm zu gehorchen? Und Mitleid mit uns zu haben? Von seinen Flanken schickt er uns für den Augenblick nur einen Wind, der das gestickte Chorhemd des Jungen, der Weihwasserkessel und Wedel in den blau gefrorenen Händen hält, zittern lässt. Ist das eine Antwort? Die Alten, knorrig wie die letzten Lärchen auf den Alpen, nur noch dafür gut, das Feuer vom Abend bis zum Morgen in Gang zu halten, warten wie das Postpferd, wenn der Reiter ihm Halt befiehlt.

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