Читать книгу Inspiration Schweiz. 70 Autoren, Künstler, Musiker, Schauspielerinnen an 70 Schauplätzen онлайн
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Auf der Suche nach einem Landgut gelangte Kleist im Februar 1802 nach Thun. Bürgerkriegsähnliche Tumulte im Gefolge von napoleonischen Verfassungsreformen stellten Kleists Ansinnen jedoch schon bald infrage. Im April siedelte er auf die Obere Insel beim Ausfluss der Aare aus dem Thunersee über, wo er für vier Monate ein kleines Anwesen bezog, das sich auf der dem See zugewandten Inselspitze befand und 1940 abgerissen wurde.
In launigem Tonfall schilderte er seiner Halbschwester Ulrike den Alltag auf seinem folkloristischen Berner Réduit: «Auf der Insel wohnt auch weiter niemand, als eine Fischerfamilie. Der Vater hat mir von zwei Töchtern eine in mein Haus gegeben, die mir die Wirthschaft führt: ein freundlich-liebliches Mädchen, das sich ausnimmt, wie ihr Taufname: Mädeli.» Im Übrigen komme er selten von der Insel, «sehe niemand, lese keine Bücher, Zeitungen» und «brauche nichts als mich selbst».
Zuweilen erhielt Kleist Besuch von Heinrich Zschokke. Der gebürtige Magdeburger, ein umtriebiger Geist, wackerer Republikaner und studierter Theologe, lebte damals an der Gerechtigkeitsgasse in Bern, wo er Kleist beherbergt hatte, ehe dieser nach Thun gezogen war. In Zschokkes Wohnung hing ein Bild, das wohl in Vergessenheit geraten wäre, hätte es Kleist nicht zu seinem berühmtesten Lustspiel, dem «Zerbrochenen Krug», inspiriert. Der Kupferstich trug den Titel «Le juge ou la cruche cassée» und war Gegenstand eines «poetischen Wettkampfs».