Читать книгу Reisen. Reportagen онлайн

23 страница из 39

Kommt der Reisende heute nach Calatayud, südwestlich von Zaragoza, nach einer Fahrt durch das ausgedörrte, ockerfarbene Land, auf welches schon seit einem Jahr kein Regen mehr gefallen ist, dann sieht er auf felsigem Vorsprung die Burg leuchten von weitem. Darüber schweben Wolken in der harten Bläue. Ein Kieswerk liegt zwischen Stadt und Burghügel, man hört, wie Steine zerkleinert werden und Lastwagen dröhnen. Dann wird es ruhig und ruhiger. Die Burg ist nur von hinten zu nehmen, vorne ist der Felsen abschüssig. Ein paar alte, ungebrauchte Schuppen stehen da und baufällige Hütten, in denen wohnen Zigeuner. Dann nur noch die Steine der Natur, langsam ansteigender Burghügel, kärglich bewachsen, und die Steine der Geschichte; die sind auf weite Strecken nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Alles vermischt, drunter und drüber. Kilometerlange Festungsmauern verbinden die Hauptburg mit einer Nebenburg. Ganz allein ist man hier oben, es ist keine spektakuläre Burg für spanische Verhältnisse, in der Stadt unten kümmert sich niemand um sie, und Touristen gibt es kaum. Den Wind hört man durch die alten Türme pfeifen und einen Motocrossfahrer den Burghügel hinunterknattern, sein Helm taucht zwischen Olivenbäumen auf und unter, ein mittelalterlicher Topfhelm, der vorzüglich in die Umgebung passt, das Motorrad nimmt die steilsten Hänge und belagert die Burg mehrmals und verzischt dann mit grosser Geschwindigkeit, als ob es die Lanzenreiter des Königs geweckt hätte, die nun spornstreichs hinter ihm herjagen. Dann alles wieder ganz ruhig, der Angriff ist abgewehrt, und der Mittag blaut still über den Jahrhunderten. Man kann sich noch vorstellen, teilweise, wie die Burg im Innern ausgesehen haben mag, verwinkelt, wenig Licht, Feuerstellen sind erkennbar, ein Verliess, eine Zisterne, und vielleicht gab es auch Prachträume für den Minnesang und ähnliche Zerstreuungen. Der Grundriss dieser Anlage mit ihren Umfassungsmauern ist so gross, dass die ganze Stadt Calatayud in ihrer heutigen Ausdehnung mehrmals darin Platz fände. Sehr bröcklig und auf eine angenehme Art dem Zerfall überlassen, nicht wie in Westeuropa, wo der Denkmalschutz schon lange durchgegriffen und alles herausgeputzt und zu Tode geputzt hätte.

Правообладателям