Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

108 страница из 119

Doch zuerst ein kleiner gefühlsstabilisierender Aperitif, um in die richtige Stimmung zu kommen. Denken Sie einmal über folgende Fragen nach:

Sind Sie Protestant? Katholik? Jude? Atheist? Sind Sie reich oder arm? Sind Sie zufällig Sohn oder Tochter geschiedener Eltern? Hat Ihre Mutter Sie in einer mondbeschienenen Nacht hinter einem duftenden Fliederbusch im Park empfangen und Ihr Vater dann vergessen, sie zu heiraten? Sind Sie also unehelich? Hält man Sie für ein bisschen beschränkt? Und sind Sie infolgedessen leicht verhaltensgestört? Sind Sie zu groß? Zu dick? Haben Ihre Eltern Sie um drei Uhr morgens vor der Tür eines sadistischen Fremden ausgesetzt? Wenn Sie ein Kriegsflüchtling sind, der versucht, in einem fremden Land Fuß zu fassen, wenn Sie hinter dem Eisernen Vorhang oder vor dem Anblick von Spitzengardinen leiden, wenn Sie Segelohren oder vorstehende Zähne haben, wenn Sie ein Junge mit blauen Augen in einer Familie mit braunen Augen sind, dann meine ich Sie. Sind Sie Teller­wäscher, wenn Sie das Leben eines Millionärs führen sollten? Sind Sie das Kind eines Geistlichen? Der unbedeutende Sohn, die unbedeutende Tochter, der Bruder, die Frau oder der Mann eines bedeutenden Mitglieds Ihrer Familie? Vielleicht sind Sie intelligent, aber bloß gefühllos? Oder vielleicht allzu vernünftig? Sind Sie Engländer, jetzt, wo das Pfund nichts mehr wert ist und im Britischen Empire allmäh­lich die Sonne untergeht? Haben Sie Angst vor dem Kommunismus? Wenn eins dieser kleinen Probleme Sie betrifft, werden Sie verstehen oder, besser gesagt, nachempfinden können, welche Wirkung das Wort «Nigger» auf mein Bewusstsein hat. Für die anderen vierzehn Millionen Schwarzen in den Vereinigten Staaten kann ich nicht sprechen. Hier nun meine historische Erklärung in Gestalt einer Kleinen Subjektiven Soziologie:

Правообладателям