Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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Und dann dachte ich vor dem Einschlafen, nachdem ich alles durch eine eher zynische Brille betrachtet hatte, dass es ein kaltes abstraktes Licht war, das mir den Weg erhellt, mich aber auch mächtig geblendet hatte! Denn war ich nicht am Münchner Bahnhof wie ein Sünder in den Zug gestiegen, ein Sünder, der aus Furcht vor der Hölle bibberte und sich fragte, was er wohl in Bern finden würde, dabei wusste ich tief in meinem armseligen Herzen, dass ich nur mich selbst finden würde!

Als ich die Augen nicht länger offenhalten konnte, fiel ich in einen unruhigen, albtraumhaften Schlaf und träumte …

Bern

Der Bahnhof war ein altertümliches, malerisches Gebäude und in seiner Bescheidenheit auf sentimentale Art einladend. Dünne nackte Stahlrippen stützten die Dächer der Depots, in denen die Schmalspurwaggons standen. Gelbe, mit Gepäck beladene Elektrowägelchen flitzten wie laute kleine Pudel hin und her. Arbeiter in blauen Kitteln, die aussahen wie Kleider, kümmerten sich um den Zug wie pingelige Frauen um ihre Nähmaschine. Ganz anders als das riesige, weitläufige Gebäude aus Stahl und Marmor, die Union Station von Kansas City!, dachte ich. Beeindruckt von den schweren Taschen aus rotem, braunem und gelbem Leder, die die Schaffner sich über die Schultern geschnallt hatten und die bis zu den Knien baumelten, sagte ich mir: Sie müssen im Geld schwimmen! Die bunten Plakate mit Werbung für unbekannte Ziga­retten in Schweizerdeutsch, Deutsch und Italienisch, ganz zu schweigen von Französisch, überzeugten mich davon, dass ich mich in einem fremden Land befand, vor allem angesichts der jüngsten Erfahrung mit dieser Marshmallow-Sprache.

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