Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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Während ich auf der Bundesterrasse saß und auf den Gurten hinüberblickte, der sich in den Himmel erhob, hatte ich mich all das gefragt und mich dabei sehr seltsam gefühlt, ungefähr so, als würde ich genau in diesem Augenblick geboren. Allmählich zweifelte ich daran, dass es den Mann tatsächlich gegeben hatte (so sehr geht manchmal die Fantasie mit mir durch!) – vielleicht war es ja bloß eine imaginäre Verkörperung meiner eigenen Zweifel gewesen! Bei diesem Gedanken erfüllte mich ein erfrischendes Gefühl, aber dessen Wirkung war nicht nur tröstlich. Denn jetzt konnte ich mir eingestehen, dass mich die Frage des Mannes aus demsel­ben Grund so verstört hatte, aus dem ich seit über zwei Monaten nichts geschrieben hatte. Ich befürchtete, dass ich nichts zu sagen hätte oder nicht in der Lage wäre, es auszudrücken. Der Grund für diese Befürchtung ging noch tiefer und hatte mit moralischen Werten zu tun, der Bedeutung des Universums und mit meiner bewussten Beziehung zu Gott. Ist das möglich?, hatte ich mich gefragt. Bin ich wirklich so aufgebracht, weil mir ein kleiner Mistkerl mit seinen naiven Andeutungen blöd gekommen ist? Deshalb leide ich an Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen, deshalb schäme ich mich, dass meine Absätze abgelaufen sind; aus Überempfindlichkeit gegenüber tausendundsieben lästigen kleinen Illusionen: Weil ich mir über meine Beziehung zu Gott im Unklaren bin! Tja, hatte ich mir gesagt, das wirft natürlich ein ganz neues Licht auf die Angelegenheit!

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