Читать книгу Das eigene Leben. Reportagen онлайн
8 страница из 20
Dass dieser schöne Appetit nicht aufloderte, dafür war der Rektor der Kath. Sekundarschule besorgt, aus ganzer Seele, ganzem Herzen und all seinen Kräften, welche beträchtlich waren. Er hatte immer irgendeine Kampagne gegen die Erotik laufen, ob es nun die Anti-Familienbad-Kampagne war, die Kampagne für eine angemessene Länge der kurzen Hosen, die Kampagne gegen schüchterne Ansätze von Paarbildung auf dem Schulweg, die Kampagne gegen die tödlichen Gefahren des Onanierens. Bei der Anti-Familienbad-Kampagne gelang es ihm, ganz katholisch St. Gallen einzuspannen, vom aufstrebenden christlich-sozialen Politiker namens Fu. bis zu Jungwachtführern und Müttervereinspräsidentinnen. Um die Vermischung der Geschlechter zu verhindern und jeden fehlbaren Zögling sofort im Griff zu haben, hatte dieser Rektor besonders abgehärtete und gegenüber den Verlockungen des Fleisches widerstandsfähige Burschen (oder Porschten, wie man in St. Gallen sagt) in den verschiedenen sanktgallischen Familienbädern postiert, wo sie die Namen der Fehlbaren notieren mussten, welche sodann hinter den gepolsterten Türen des Rektorats einer postbalnearen Massage unterzogen wurden. Es waren dick gepolsterte Türen, aber sie waren nicht undurchlässig genug für die herausdringenden Schreie, wobei es sich in den wenigsten Fällen um Lust-Schreie handelte. Unvergesslicher Rektor, unvergessene Schreie! Ausschweifender, lasziver Rokokobau, im ersten Stock die Stiftsbibliothek mit den alten Manuskripten und der ägyptischen Mumie, der heilige Gallus hat das Christentum aus Irland eingeschleppt, und gleich anschliessend im zweiten Stock das Kabinett des Rektors. Dieser, im Gegensatz zum spitzig-bleichen Präfekten, war ein kolossal wuchtiges Mannsbild mit blauen Porzellanaugen, ein schwitzender Koloss voll unerlöster Männlichkeit, wusste genau, in welchem Glied der Teufel hockte, hat die Höllenpein geschildert, die auf alle Pörschtli wartet, die fahrlässig mit dem Glied spielten. Der heilige Gallus hatte das Christentum seinerzeit gebracht, ohne lange zu fackeln, hatte es den Alemannen aufgehalst, die mit ihren heidnischen Faunen eigentlich gut gefahren waren. Als Medizin gegen die teuflischen Verlockungen empfahl der Rektor kalte Duschen, Abhärtung durch Langlauf und Weitsprung, in besonders hartnäckigen Fällen den Verzehr von Gemüse und, falls unsere Schwänze trotzdem nicht stillhalten wollten und der Saft nach einer gelungenen Abreibung hervorspritzte, einen sofortigen Gang zum Beichtvater, damit er uns die Todsünde nachliesse. Wer nämlich sofort anschliessend an die Todsünde starb ohne beichtväterliche Nachlassung, der fuhr stracks zur Hölle, so stand es in den Beichtspiegeln. Den Genuss von Gemüse hat er übrigens nicht mehr empfohlen, nachdem einst zur schwülen Sommerszeit, als die Mädchenbrüste besonders lustig an der Kath. Sekundarschule vorbeiwippten und es überall nach Fruchtbarkeit roch, ein Zögling mit brünstiger Stimme in den Pausenhof hinunterschrie: Gemüüüse, Gemüüüse!