Читать книгу Das eigene Leben. Reportagen онлайн
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Es Auto, Chind hämmer jo scho gnueg; und so die Mutter, welche mit der korrekten Antwort rechnete, betrübt haben.
Weihnachten wurde präpariert durch den Advent, welcher mit dem Dezember begann und sich durch die sogenannten Rorate-Messen und den Verzicht auf Naschwerk auszeichnete. Alle Zeltli, Schleckstengel, jedwedes Zuckerwerk, Schokolade und andere Naschbarkeiten, die man sonst beiläufig verzehrte, wurden im Monat Dezember strikte in einem Porzellanbehältnis aufbewahrt und dem Heiland zuliebe, der bald den Himmel aufreissen würde, bis Weihnachten akkumuliert. Da stand diese Schüssel im Buffet, im Esszimmer, frei zugänglich, und es war eine harte Askese, eine innerweltliche, nicht zu naschen vor Weihnachten, sondern eben sich zu beherrschen und zu verzichten, obwohl die Süssigkeiten sich bedrohlich vermehrten und an Weihnachten manches nicht mehr im frischesten Zustand sein würde, und es war auch nicht so, dass man, wenn die Schlecklust ausnahmsweise mit uns durchging, von der Mutter bestraft worden wäre, nur der Heiland, sagte sie, sei dann etwas traurig, und die Blicke aus ihren notorisch blauen Augen wurden ganz durchdringend; und so beruhte alles auf freiwilliger Basis. Diese Tätigkeit des freiwilligen Verzichtens nannte man: äs Öpferli bringe. Die Rorate-Messen begannen um sechs Uhr; man sang zuerst TAUET HIMMEL DEN GERECHTEN, WOLKEN REGNET IHN HERAB, es gab Schnee, und der Drogist Egli sang sehr schön, wenn auch etwas gequetscht. HARRT SEIN VOLK IN BANGEN NÄCHTEN, IN DER SÜNDE DUNKLEM GRAB. Da hörte man auch den Büchsenmacher Werner, den Doktor Romer, der uns im Frühling die Warzen mit einem böse zischenden, bläuliche Funken erzeugenden Gerät von den Fingern brannte, den Schlosser Lehner und den Bäcker Lehmann herrlich singen, aber auch den Drogisten Rutishauser aus dem Krontal, welcher ein Konkurrent des Egli war, und ihre Stimmen transzendierten eine halbe Stunde lang ihr Handwerk, und in kultureller Hinsicht war dieser Tagesbeginn mindestens so gelungen wie ein von Radio 24 berieselter, schweigend hingenommener, ingrimmig gehasster Zürcher Morgen, der mir eben jetzt wieder vor dem Fenster dämmert, 8050 Oerlikon.