Читать книгу Spurlos. Andrea Stamms zweiter Fall онлайн
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«Doktor Meyer!» Die Stimme einer Pflegerin hallte durch den Korridor.
«Bin gleich da!» Er trat in die Toilette, liess Wasser in seine Hände laufen, kühlte sich das Gesicht. Er riss ein Papierhandtuch aus der Box, trocknete sich ab. Betrachtete die Narbe, die sich vom Haaransatz der linken Stirnhälfte zum Nasenrücken zog. Kaum mehr sichtbar, trotz der vierzehn Stiche. Marit hatte exzellente Arbeit geleistet, er hatte von der erfahrenen Traumatologin viel gelernt in den zwei Jahren in Israel. Und in den Monaten ihrer Affäre. Er hatte alles vergessen, das alte Leben, die Berge, die Heimat und Andrea. Wie einst auf schwierigen Kletterrouten hatte es für ihn nur das Hier und Jetzt gegeben, die verzweifelte Hektik in der Klinik nach einem Attentat, die ohnmächtigen Versuche, zerfetzte Körper am Leben zu erhalten, die Nächte in Marits Wohnung über dem Hafen von Jaffa.
Er trat in den Korridor, die Pflegerin, die ihn gerufen hatte, war verschwunden. Er schritt über die Passerelle zum Neubau der Onkologie, grüsste flüchtig einen Patienten, der mit stumpfem Ausdruck den Galgen mit dem Tropf vor sich herschob und seinem Blick auswich. Er klopfte an Anitas Zimmertür und schaute hinein. An ihrem Bett sass ein Mann auf einem Stuhl, vornübergebeugt, hielt ihre Hand. Sie hatte die Augen geschlossen, vielleicht schlief sie. Auf der Bettdecke lag ein Bund Weidenkätzchen. Der Frühling war angekommen in den Bergen.