Читать книгу Settembrini. Leben und Meinungen онлайн

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Das war – wie der Dichter zu sagen pflegt – zu Zeiten, als die Welt noch so jung war, dass viele Dinge keinen Namen hatten und man, um sie zu benennen, mit dem Finger auf sie zeigen musste. Als das Eis zu schmelzen begann und nach und nach Menschen in diese verlassene Gegend kamen, viele Menschen, ließen meine Onkel in den Ring von Bergen schreiben: There Be Dragons Here, und als das nichts nützte, machten sie wenigstens einen Zaun um ihre Hütte und schrieben darauf: Warnung vor dem Hund. Das hat genützt.

Alle Menschen sind voll von Geschichten. Aus den einen sprudeln sie wie Wasser aus der Quelle, aus den andern muss man sie hervorlocken wie die Grillen, die man mit einem Grashalm aus ihren Löchern kitzelt. Die Zwillinge waren so schräg, dass all ihre Geschichten schief waren. Aber, meinten sie, was nützen schiefe Geschichten, wenn bloß senkrechte Quadratschädel zuhören?

Punkto Geschichten redeten die Zwillinge feierlich der Illusion das Wort: «Die Leute, dieses Pack, wissen immer alles besser. Sie wollen nicht, dass du erzählst, wie es gewesen ist, sondern wie sie möchten, dass es gewesen sei. Die Wahrheit hat kurze Beine. Wenn du die Wahrheit erzählst, glaubt dir keiner. Ja, Tolstoi, dieser Arnaut» – Arnaut war ihr Lieblingsschimpfwort, wenn sie grantig waren – «Tolstoi sagt sogar: Wenn du die Wahrheit erzählst, werden sie sagen, du seist selber schuld, dass du nicht das erlebt hast, was Erzähler üblicherweise erleben müssen.» Dann kratzten sie sich am Kinn und fuhren fort: «Was für eine armselige Geschichte wäre die Kreuzigung Christi nach der Wahrheit statt nach den Evangelien: Reine römische Routine, reine Routine, mein Bester.»

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