Читать книгу Settembrini. Leben und Meinungen онлайн
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Jede Familie, die etwas auf sich hält, fabriziert Geschichten und Legenden, die in der Verwandtschaft kursieren. Ich hatte meine Vorbehalte gegen die Geschichte vom Leben und Sterben meines Vaters. Die Zwillinge ersannen Geschichten nach ihrem Ebenbild. Sie erzählten nicht einfach, wie es gewesen war, sondern wie es hätte sein müssen. In der Variante meiner Onkel war mein Vater als Wilderer erschossen worden, in der offiziellen Variante als Wildhüter. Für unsere Familie wäre es eine Katastrophe gewesen, auf immer und ewig einen Wildhüter in der Familie zu wissen, einen Polizisten. Ein Wilderer Levy, der zum Landjäger geworden war, musste wieder zum Wilderer werden. So war der Kreis geschlossen und die Sippenehre gerettet. Denn unsere Familie war aus Italien gekommen, wie die Steinböcke. Sie glaubte, anders als die Einheimischen, nicht an Autoritäten. Erledigte die Autorität zur Not auch mit der Fantasie.
II DIE ZWILLINGE
Als der eine geboren war, wollte der Vater ihm den Namen Jeremias geben, indes der Großvater meinte, David klinge majestätisch. Aber die Mutter war für Gion Battesta, so wie der Vater hieß und wie es Brauch war. Und die andern fügten sich. Als sie sahen, dass es Zwillinge gab, kamen sie auf die Idee, den einen Gion und den andern Battesta zu nennen. Aber für die Mutter war Gion Battesta eine einzige Person, folglich bekam der zweite den gigantischen Namen Gion Evangelist Silvester. Sie glichen sich wie ein Ei dem andern, waren ein Mensch in zwei Personen, und nur die Mutter wusste, wer wer war.