Читать книгу Der Stammbaum. Chronik einer Tessiner Familie онлайн
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Es ist März. In einem dunkeln und feuchten Durchgang zwischen den Häusern blüht Seidelbast, ein schmächtiges Zweiglein mit seinem lieblichen Duft. Draussen in den abschüssigen Wiesen steigen hellblaue Rauchsäulen auf. Man hört niemanden, nur das Aufflattern eines Vogels. An einigen Stellen erkenne ich noch die abgewetzten Steine, geglättet von unendlich vielen Schritten; jenen bläulichen, weiss geäderten, und die Treppenstufe, die unter dem Fuss wackelt wie vor sechzig Jahren. Und das hier sind die Stufen, auf denen die genagelten Schuhe des Grossvaters erklangen, worauf denen im Haus die Worte im Mund erstarben. Ich finde tausend Dinge wieder, aber das Bild von einst finde ich nicht mehr. Das Weiss des Verputzes blendet im sonnigen Hof des Grossvaters Rusconi und verjagt die dünnen Schatten der vielen Toten. Alles ist viel zu sauber. Und auch der Geruch ist derjenige fremder Leute. Es bleibt nur das naive Fresko auf der Mauer, die Mutter Gottes, die den toten Sohn im Schoss hält und die einst einer meiner Vorfahren im 18. Jahrhundert malen liess.