Читать книгу Der Stammbaum. Chronik einer Tessiner Familie онлайн

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So sieht man Mergoscia, wenn man auf der Strasse steht, rechts vom Mühlbach. Ist man aber erst einmal dort oben angekommen – zwischen dem Gasthaus, dem Gemeindehaus, dem Beinhaus und der Kirche –, dann atmet man einen grossen Frieden. Es ist, als stünde man auf einem sonnigen Balkon. Kaum ist man um die Kirche herumgegangen, die, wie auch das Beinhaus, von Grab­steinen übersät ist, kommen wir zum Kirchhof, wo meine Vorfahren in Frieden schlafen, die Alten, die ich auf der dünnen Spur der Erinnerung wiederzufinden suche.

Monsignore Feliciano Ninguarda, Bischof von Como, bemerkte bei seinem pastoralen Besuch (1591), dass das Dorf hundert Herde zählte, «und sie sind reich, doch bei all dem haben sie keinen Pfarrer und keinen Kaplan». Im Jahre 1790 zählte Mergoscia 752 Einwohner. Jetzt erreicht die Bevölkerung mit Müh und Not 120. Allerdings bevölkert sich das Dorf langsam wieder, besonders im Sommer, aber meist sind es Deutschschweizer, welche die leeren Häuser bewohnen. Sie modernisieren sie, sie kommen herauf, um die Sonne zu geniessen. Sie antworten auf den Ruf der Leere, sie nehmen überhand. Man sagt mir, vor einigen Jahren sei die Erstaugustrede auf der Piazza in deutscher Sprache gehalten worden. Zwei Schritte von den Häusern im «Benitt» entfernt, mahnt eine Tafel in deutscher und französischer Sprache: «Ab­fäl­le wegwerfen verboten» («Dépôt de déchets interdit»). Das klingt, optimistisch betrachtet, nach einer Einladung, unsere Landessprachen zu lernen. Wenn es nicht eher eine Beleidigung für die verschwundenen Einheimischen ist …

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