Читать книгу Der Stammbaum. Chronik einer Tessiner Familie онлайн

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Meine Mutter, die als Kind von dieser armseligen Behau­sung leichtfüssig in die finstern Schluchten des Flusses hinaufstieg. Sie ging im Dorf zur Schule, und in der Tasche hatte sie eine Handvoll Kastanien. Das war ihr ganzes Mittagessen. Sie konnte in der kurzen Mittagspause nicht hinunter- und wieder hinaufsteigen. Wenn ich an sie denke, kommt mir ein Gedanke, der mir oft und immer wieder im Kopf herumgeht: Es liegt mehr tatsächlicher Abstand zwischen der Kindheit und dem Alter meiner Mutter als zwischen ihr, da sie ein Kind war, und den Höhlenmenschen. Zwischen der Art, mit der sie damals Feuer machte, und der Art, in der sie sich in ihren letzten Jahren den Kaffee wärmte. Wenn der Herd erloschen war, trat meine Mutter unter die Tür der Hütte und spähte hinunter nach der gestuften Reihe der mit Steinplatten gedeckten Dächer, die silbern glänzten oder in reinem Weiss, wenn Schnee lag. Sie spähte hinunter, um ein Dach zu entdecken, das rauchte (Kamine gab es in jenen urtümlichen Häusern nicht, der Rauch zog durchs Dach ab oder durch die Türe). Dann nahm sie einen Ginsterzweig, lief die steilen Stufen der Treppen und Stiegen hinunter zu dem rauchenden Haus, bat um die Erlaubnis, legte ein paar glühende Kohlen auf den Ginsterzweig, lief wieder die steilen Treppen und Stiegen hinauf, legte den Ginster in den Herd, blies darüber hin und weckte die Flamme. So bekam sie Feuer, ohne ein Streichholz zu verbrauchen, ein blitzendes Schwefelhölzchen, wie mein Grossvater selig sagte, denn auch diese musste man sparen. Als alte Frau brauchte meine Mutter nur am elektrischen Schalter zu drehen, damit die Minestra zum Abendessen kochte.

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