Читать книгу Reden wir über das Sterben. Vermächtnis einer Ärztin und Patientin онлайн

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Meine Geschichte

Meine Sanduhr läuft ab. Ihre auch. Mir ist es durch meine Lebenslage sehr bewusst. Planen kann ich nichts mehr. Zu ungewiss ist, was mich morgen erwartet.

Derweil meine Freunde mir von ihren Reiseplänen für nächstes Jahr erzählen, weiß ich jeweils nicht, ob mein Zustand in drei Wochen in sich zusammenfallen wird. Wer mich anschaut, könnte mich für eine Hochstaplerin halten, so gesund sehe ich im Moment aus, und Energie hatte ich bis vor Kurzem auch noch mehr als viele in ihren besten Zeiten. Wenn nur nicht meine Blutwerte so schlecht wären. Innerhalb von wenigen Wochen sind meine «Freien Leichtketten», ein krankhaftes Eiweiß, das mir als Indikator für den Verlauf der Krankheit dient, um das Zehnfache angestiegen. Schlechte Nachricht! Und die Schmerzen nehmen zu. Die Krankheit modert.

Ich kenne beide Seiten der Medaille: Ich weiß, was es heißt, Patienten eine schlechte Nachricht zu übermitteln. Ich weiß, was es heißt, die schlechte Nachricht zu empfangen. Was es heißt, Therapieangebote zu bekommen. Ich weiß, dass «Informed Consent – informierte Einwilligung» zwar gut klingt, im besten Fall gut gemeint ist, aber letztlich eine Illusion ist. Und ich weiß, dass ich als Ärztin den Vorteil habe, etwas von Medizin zu verstehen, und allenfalls mit Kollegen diskutieren kann. Denn oft gibt es keine eindeutige Antwort. Auch wenn unsere Ärzte sich bei der Präsentation von Therapieoptionen noch so sehr um Objektivität bemühen, haben sie persönliche Meinungen. Die beste Therapieoption ist je nach Lebenslage, je nach Alter, je nach Vorliebe, Wertvorstellungen und Biografie eine ganz andere. Es gibt nicht eine Wahrheit.

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