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Als nach Mitternacht das Lokal voll und nun alle berauscht waren, aus ihnen Energie, Schönheit, auch Freude sprudelten, wollte ich mit meinem Freund Manuel hinausgehen, um mich von ihm zu verabschieden. Denn ich traute mich immer noch nicht, in Gegenwart anderer Menschen meinen Freund auf den Mund zu küssen. Bei mir war da so etwas wie ein Knoten, und ich weigerte mich. Ich hatte auch nie gesehen, dass mein Vater meine Mutter in Anwesenheit anderer Leute küs­ste.

Manu, mit dem ich eine Informatiklehre machte, war nach einem strengen Arbeitstag betrunken gewesen, und er wollte mich nicht gehen lassen. Wir hatten im Park, im Dunklen, zwischen den Bäumen, eine Zunge auf die andere gelegt, uns lange geküsst, als wäre es unser letztes Mal und dies unser letzter Tag im Leben. Er war außer sich gewesen, hatte seine Zäh­­ne in meinen Nacken gedrückt. Erst als das heftige Gewitter vorbei gewesen war, wir unseren Saft entladen hatten und auf dem Kiesboden gekrümmt lagen wie ausgepresste Zitronen, war mir bewusst geworden, was los war. Die Wunde hatte so gebrannt, dass es kaum auszuhalten war. Auch ihm war es peinlich, dass er mich gebissen hatte. Wir fanden in der Nacht einen Spray in der Notapotheke, besprühten die Wunde, und ich ging nach Hause. Meiner Mutter, die auf mich gewartet hatte, war mein farbiges Halstuch nicht entgangen, das wir mittels großer Lügereien von der schläfrigen Angestellten der Apotheke erhalten hatten. Mutter hatte das Tuch zerrissen und natürlich gemeint, die Zahnspuren seien von einer Frau. Sie schimpfte mich heftig aus und bemerkte, dass sie diese Frau nicht verstehe, die einen Mann in den Nacken beiße. Ich übergab ihr den roten Glückskäfer aus Stoff, den Maria, die Mutter von Manuel, auf die Reise mitgegeben hatte. Sie bedankte sich und steckte ihn in ihre Reisetasche. Dass sie meinte, eine Frau habe mich gebissen, war meine Rettung. Wie meine Eltern reagierten, wenn sie wüssten, wo und wie ich die letzte Nacht verbracht hatte, wollte ich mir gar nicht vorstellen. Da wäre erst richtig die Hölle los gewesen. Dann wäre ihre Welt untergegangen, wie sie es immer ausdrück­ten, wenn sie vor irgendeinem Problem standen.

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