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Die ewige Sehnsucht meiner Eltern war allgegenwärtig, oftmals viel wichtiger als Essen und Trinken. Sie war spürbar wie das Licht in der Dunkelheit. Sie war eine Fluchtoase für meine Eltern, in die sie sich zurückzogen, wenn sie in ihrem eigentlich verfluchten Leben in der Bischofstraße, wie sie es nannten, vor wichtigen Entscheidungen standen oder irgendetwas sie bedrückte, zum Beispiel wenn sie einen Behördenbrief nicht verstanden. Ihre Sehnsucht stillten meine Eltern jeden Tag ein bisschen nach zwölf Uhr nachts, wenn sie nach sechzehn Stunden Arbeit das Kebab House, den dreißig Quadratmeter großen Laden, abschlossen und erschöpft und traurig in unsere Wohnung über dem Laden zurückkamen. Sie hätten den ganzen Tag Löwen gefüttert, pflegten sie zu sagen, um ihre Müdigkeit zu begründen, während sie ihre orangefarbenen Arbeitsschürzen auszogen. Wenn sie da waren, stanken alle Zimmer der Wohnung, die Wände, die Teppiche, ihr Atem und ihre Kleider, sogar der nie fehlende Goldschmuck meiner Mutter am Hals, nach fettigem Fleisch und in Öl gebratenen Kartoffeln. Mutter kochte vor sich hinredend Schwarztee im aus Zink hergestellten, mit Nelken und Kamillen verzierten Teekrug, den sie natürlich vom Beytodorf mitgenommen hatte, nachdem sie sich frisch und schön gemacht hatte. Sie zog jeweils ihre schönsten Kleider an, als würde sie an eine Hochzeit gehen. Vater streckte stöhnend seine Beine auf dem Teppich aus, auf den er stolz war, weil er von seiner Mutter geknüpft worden war. Jeden Tag erzählte er die gleichen Geschichten von den komplizierten Mustern des Teppichs – etwa ein Rentier mit Hörnern – und vom Geheimnis seiner Mutter, die sich ohne Vorlage mit diesen rätselhaften Mustern auskannte. Der Tee und das Geschichtenerzählen waren ein Ausgleich zu ihrem anstrengenden Leben. Meine Mutter schenkte Tee in die schmalen Gläser mit der goldfarbenen Verzierung, während Vater den Tagesumsatz von Hand auf der leeren Schachtel seiner Zigaretten ausrechnete, so konzentriert, als würde er ein Flugzeug steuern. Nur dann setzte er eine Brille auf. Sie stellten eine Tasse voll farbigem Bonbonzucker auf ein Tischchen zwischen sich und tranken Tee in der berühmten Art des Dorfes: Sie nahmen den Zucker in den Mund, versteckten ihn in einer Backe, bis der heiße Tee aus dem schmalen Glas ausgetrunken war. Beide waren redselig. Sogar ich hatte meine Freude daran, ihnen zuzuhören. Mutter hatte von irgendwem gehört, dass diese Art Tee mit Bonbonzucker nicht dick mache. Meine Eltern wurden aber Jahr für Jahr breiter und breiter. Sie würden mich noch mehr lieben, sagten sie, wenn auch ich auf dieselbe Art Tee mit farbigem Bonbonzucker trinken würde. Sie wollten nicht auf mich hören, wenn ich ihnen weiszumachen versuchte, dass sie als Erstes gegen das unerwünschte Fett an den Knochen diesen ewigen Bonbonzucker weglassen sollten. Der Vater war jeweils verletzt durch meine unüberlegte, lächerliche Feststellung. Stolz sagte er: «Die Art unseres Dorfes, Tee zu trinken, macht nicht dick, weil wir auch im Dorf nicht dick wurden.» Er wiederholte einen Satz aus seinem Dorf, das Pferd solle am Gerstenessen sterben, wenn es sein müsse, also jemand dürfe an dem sterben, was er gerne habe. Meine Eltern gingen erst zu Bett, wenn die Zuckertasse und die Teekrüge leer waren und sie genüsslich und lange vom Dorf gesprochen hatten.