Читать книгу Das Gesetz des Wassers. Ein Tanner-Kriminalroman онлайн

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Er hatte jahrelang Reagenzgläschen gewaschen, wie er immer wieder stolz betonte. Später musste er nachts die laufenden Versuche in den Labors überwachen. Seine Chefs, die Chemiker und Doktoren, waren seine Götter. Sein Vater musste in dieser Welt das absolute Ideal eines pflegeleichten Arbeiters verkörpert haben. Noch in den ödesten Arbeitsvorgängen hatte er seine Pflicht mit Sorgfalt, Hingabe und absoluter Treue ausgeübt. Für ein lächerliches Entgelt. Und er identifizierte sich mit seiner Firma bis zur Selbstaufgabe. Wehe, es fiel ein kritisches Wort. Noch in den krassesten Momenten der Ausbeutung hatte er Verständnis und verteidigte auch ganz offensichtlich zynische Maßnahmen seiner Firma.

Als man in Westafrika Pflanzenschutzmittel einer chemischen Firma entdeckte, die zu Kriegszwecken verwendet wurden, war sein Vater erbost über die Berichterstattung, nicht über das Verbrechen.

Als er zwei Jahre vor dem Pensionierungsalter in den Ruhestand trat, kürzte man ihm kaltschnäuzig die Rente. Der Vater schluckte es und beschwor seinen Sohn, die Kriegsvorbereitungen gegen die Firma einzustellen. Tanner wusste damals nicht, ob er die Firma oder seinen Vater hassen sollte. Dass die geliebte Firma einen Großteil ihrer Gewinne im Ausland erzielte, auch auf Kosten der Dritten Welt, verdrängte sein Vater immer. Genauso wie er an die Märchen von der starken Landesverteidigung während des Zweiten Weltkrieges glaubte, hatte er auch die Mär vom auserwählten Fleiß des Landes und seiner Bewohner verinnerlicht. Nun ist der Vater schon lange tot und seine geliebte Firma hat sich einen poetischen Namen zugelegt. Tanner beugt sich über die Brüstung und sammelt Speichel in seinem Mund. Er spuckt, verfolgt das scheinbar langsame Fallen. Wie damals als Kind fragt er sich, wie es wohl wäre, selber zu fallen. Wie lange würde der Fall dauern? Würde man den Aufschlag gerade noch spüren und erst danach wäre man tot? Oder fliegt man geräusch- und schmerzlos ins andere Land? Wie durch ein Schlupfloch in der Zeit vielleicht?

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