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Das Ungeborene

Es regnet schon wochenlang nicht mehr; der Himmel scheint mit etwas schwanger zu gehen: mit einer geheimen Glut. Die Geburt zögert sich hinaus; schrecklich wird die große Glut sein, die der Himmel aus sich herausstoßen, von sich werfen, auf die verdorrte Erde schleudern wird.

Astrids Betäubung gleicht der Verwirrung der Tiere, die kein Wasser finden; der Schwindel, der wie Nebel ihren Kopf umhüllt, der ihren Blick trübt, ihn angestrengt und dunkel erscheinen lässt, verwirrt auch ihre Gedanken. Nur zögernd überschreitet sie jeden Tag mit dem Einkaufsnetz die staubige, im Sonnenlicht schwankende Straße. Alles in der Nähe löst sich in glühenden Wellen auf; nur was in der Weite, in der Ferne wie Signale hingestellt ist – eine weißgestrichene Holzveranda, ein runder Baum mit kühlen Schattennestern –, kann sich den müden Augen mitteilen. Astrid ist beinah blind.

Wenn sie – geschickt tastend – im Haushalt irgendwo anstößt, weil sich manche Gegenstände nicht am erwarteten Ort befinden, und ein mit frisch gewaschenem Salat gefülltes Sieb zu Boden fällt, schreit ihre Schwester Fanny. Astrid hat sich in den langen Jahren, die sie bei Fanny lebt, an die Ecken gewöhnt; ihr Fuß kennt die Schwellen, ihre Hände finden das Besteck in der Schublade, das Obst auf der Fruchtschale, die frischen Servietten im Kasten.

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