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Die Wohnung liegt in goldbraunem Dämmerlicht; die Rollläden sind bis auf einen Spalt heruntergelassen, die Fenster geöffnet. Jeden Morgen um halb sieben bereitet Astrid für sich und Fanny, die arbeiten muss, den Tee. Es ist für sie eine kleine Genugtuung, eine kindische Rache, Fannys Tasse mit dem Teebeutel links auf den Küchentisch zu stellen. Während sie das kochendheiße Wasser zuerst in ihre eigene, auf der rechten Seite stehende Tasse gießt, sagt sie, jedes Wort laut betonend: «Zuerst für mich», und dann, fast erschrocken über ihre Vermessenheit, beinah mit schlechtem Gewissen: «Nachher für Fanny.»

Gestern Nacht hat es sacht geregnet; die schon wieder trockenen Bäume in den Gärten teilen sich das Ereignis lispelnd mit, und Fannys Haar, das dem widerspenstigen Haar junger Mädchen gleicht, ist wild und knistert. Fanny steht «mitten im Leben». Fanny braucht keine Armbanduhr, sie weiß Bescheid, während Astrid immer mühsam das Datum der Zeitung, die sie jeden Morgen aus dem Briefkasten nimmt, liest. Auch der Wetterbericht erregt ihr Interesse, doch sind ihre Augen zu schwach, um ihn zu entziffern, und ein Radio besitzt Fanny nicht. Ganz ohne Besitz aber ist Fanny nicht. Ihr gehört sogar eine Violine, der sie manchmal quäkende Töne entlockt, um «in der Übung zu bleiben». Astrid besitzt nichts, oder beinah nichts; ein Tagebuch aus ihrer Mädchenzeit und einige andere Bücher, die sie nicht mehr lesen kann und die unter den vielen Büchern Fannys versteckt sind.

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