Читать книгу Fern von hier. Sämtliche Erzählungen онлайн

137 страница из 163

Wer war ich? Meinen Vater kannte ich nicht, an meine Mut­ter erinnerte ich mich kaum (einmal hatte sie mich mit einer Kelle geschlagen, und als die Kelle ihr aus der Hand und hinter den Herd gefallen war, nahm sie eine zweite, um mich weiterzuprügeln, bis ich blutete …) und Tante Agnes wurde in meinen Wachträumen eine Art vornehmes Skelett, das mit Vorliebe französische Brocken ins Gespräch eingestreut hatte; ich wusste nur noch: «Oh lala» und flüsterte das manchmal heimlich, um mich mit irgendjemandem verbunden zu fühlen. Sie hatte einen stimmlosen Hund besessen, den Onkel Raymond töten ließ, und war immer sehr aufrecht geschrit­ten und steif in hochlehnigen Stühlen gesessen. Ich weiß nicht, was sie in ihrer Kindheit alles hatte schlucken müssen, dass sie so steif geworden war. Ich stellte mir vor, dass sie niemanden geliebt hatte; auch mich nicht – seltsamerweise tat mir das, obwohl es mich quälte, wohl.

Ich besuchte die Schule im Dorf und saß neben einem Mädchen, das wie meine Banknachbarin im letzten Heim Grete hieß, nur dass es rotes Haar hatte, während jenes braun gewesen war. Während der Schulstunden träumte ich davon, wie ich einen Vorstoß unternehmen würde; was ich mir unter «Vorstoß» vorstellte, hätte ich nicht mit Worten erklären können. Ich wollte aus meiner Starre aufgeschreckt werden, mich fortbewegen, zu jenem Loch im Horizont schwimmen oder fliegen, wohin das große Schiff verschwunden war, wo es so tat, als ob es ein harmloser Wasserkäfer wäre; lächerlich schwach oder gar nicht vorhanden. Oder ich wollte in die Tiefe tauchen, immer tiefer und tiefer; vielleicht erwartete mich dort ein anderes Schiff, das zwischen silbernen Fischleibern äugte und dröhnend lachte, wenn es mich sah; natürlich hätte ich mich verwandelt, wäre ein wunderschönes Mädchen, ein Fräulein aus dem Film, eine Sängerin mit einer Stimme wie ein Wind so klar und fürchterlich geworden.

Правообладателям