Читать книгу Fern von hier. Sämtliche Erzählungen онлайн

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Ich geriet in Wut und fühlte mich betrogen, wurde es mir doch jetzt noch deutlicher als vorher bewusst, dass es die Wellen gab, auf welchen ich schaukelte, und die Winde, die mich hierhin und dorthin bliesen, und die wie erloschene, aber gewiss heiß leuchtende Tiefe, und das Versteck am Horizont, klein wie ein Nadelöhr …

Schnurstracks lief ich in Onkel Raymonds Studierzimmer, ohne anzuklopfen, ohne vorher einen Blick in den Spiegel geworfen zu haben. (Auch so war mir bewusst, dass ich meine Bluse nur nachlässig zugeknöpft hatte; ich hatte mir ange­wöhnt, in Onkel Raymonds Haus in einer Weise herumzuge­hen, von der ich annahm, sie sei «sexy»; Vorbild war mir Tante Monika. Oft tat ich so, als wäre ich erschrocken, wenn ich frühmorgens im kurzen Nachthemd über den Korridor lief und er mir begegnete; sein verwirrter Blick bereitete mir Vergnügen, denn obwohl ich davon überzeugt war, hässlich zu sein, wusste ich nun, dass mir endlich kleine Flügel wuchsen; sie sollten mich dorthin tragen, wo die gefährlichen Schiffe lauerten, auf ihren Kapitän oder Feind warteten …) Mitten in sein dunkles, dickes Gesicht erzählte ich ihm nun, dass Tante Monika ihn seit Monaten mit einem Friseur betrüge. Er starrte mich an; seine Augen waren wie erfrorene Blumen, seine Lippen grau. Er wies zur Tür, indem er den Ellbogen nur ganz wenig hob und sagte: «Agnes, du hast mich enttäuscht – wenn du wüsstest, wie du mich enttäuscht hast.»

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