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In einer Ecke des kleinen, viereckigen Rasenstücks hinter dem Haus stöhnt eine gefangene Taube; sie hockt neben ihrem lahmen Flügel in einem runden Drahtverhau unter einem Busch mit unordentlichen Blüten. Der Busch wagt sich vor dem Himmel auszustrecken wie vor einer steilen, hohen Wand. Rebekka wartet, ob die Taube nicht endlich schreie. Einmal sah Rebekka eine Taube, die von einem Auto überfahren wurde; sie zerplatzte mit einem lauten Knall. Rebekka glaubt, Tante Clara zu sein, die ein Bild gemalt hat, oder sie denkt an die Großmutter, deren Augen hinter den Brillengläsern wie riesenblaue Blumen glänzen und die sich die dürren Lippen schminkt; sie sieht aus, als hätte sie Blut geschlürft. Rebekka übermalt Tante Claras Bild mit dicker Acrylfarbe. Einmal erblickt Rebekka auf der Hecke, über die der Junge, den sie liebt und mit dem sie nicht sprechen darf, Steine auf den Rasen wirft, einen Falter, der aussieht, als ob er in einem tiefen Keller gewachsen wäre. Rebekka glaubt, Bienen sängen in ihrem langen Haar, das sie kurz schneiden will, um dem Vater weh zu tun, und das die Farbe blasser Rüben hat, die nicht saftig sind. Sie liegt in den Nächten auf ihrem Bett an die kalte Wand gepresst, aber die linke Seite ihres Körpers glüht. Heute träumt sie von Häusern mit unterschiedlich gefärbten Dächern, kleinen Balkonen, neun Kaminen und drei Fernsehantennen; auf einem der Balkone sitzt ein gefangener Alkoholiker und komponiert, ohne einen Ton von sich zu geben, und seine Frau füttert ihn mit Erdnüsschen. Rebekka will ihm winken, um ihn zu trösten, da spürt sie plötzlich die Lippen des Vaters auf den ihren: Sie sind warm und trocken wie ein junger Vogel, der noch immer, schon lange, in seinem Nest sitzt.

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