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Veronika und der magere Jochen leben in einem Betonhaus, dem hässlichsten Haus der Straße, im Parterre. Die Geräusche im Mietshaus sind aufdringlich: die Glocke, der Türöffner, die Fernseher, Schritte und Stimmen. Der Autolärm hinter dem Fenster ist laut, unaufhörlich, unhöflich. Der Himmel bildet ganz oben am Fenster einen gezackten, blauen oder grauen Rand; die Zacken entstehen, weil spitze Dachfenster wie winzige Häuser auf den schrägen Dächern stehen. Wer dahinter wohnt, kann man nicht ahnen. Der magere Jochen und Veronika sehen den Himmel, wenn sie sich bücken; sie bücken sich, um zu schauen, ob es regnen wird.

Sie nehmen das Mittagessen in einem dunkeln Restaurant ein, das keinen schlechten Ruf hat. Veronika trinkt zu viel Weißwein, raucht zu viel und spricht nicht wenig, aber im Restaurant schreit sie nicht oder nur selten. Immer am gleichen Tisch sitzen zwei Frauen zwischen vierzig und fünfzig und haben sehr enttäuschte Gesichter. Der magere Jochen nimmt sich am zweiundzwanzigsten April nach dem Mittagessen vor, am Abend seinen Wecker und seine Schlafpillen in einen Papiersack zu legen und mit dem Bus in ein stilles Hotel zu fahren, um dort zu wohnen. Er wird mit seinem Wecker reden; der Wecker heißt Kavalier und weckt ganz sanft, mit zupfenden Tönen; wenn man den Wecker nicht abstellt und einfach weiterschläft, beginnt er zu schrillen. Der magere Jochen erwacht immer schon beim ersten, sanften Stupfen; es ist, als ob der Wecker ihn mit den Tönen betupfen würde. Übrigens ist Veronika nicht allein, wenn er sie verlässt; sie hat eine große, eine mächtige Freundin, die ihr jedes Mal, wenn sie Veronika erblickt, aus einer kleinen Flasche Parfum an den Hals spritzt und dann fragt: «Du willst doch?»

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