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Meine Schwester verließ den Vater früher als ich, aber als ich dann aus der Kälte meines Elternhauses fortging in die Kälte der Welt, war ich noch nicht flügge. Ich verrannte mich, blieb hängen, wurde zum Spielball und fiel tief; ja, ich heiratete beinah. Heute treibe ich auf einer Eisscholle immer weiter von jenem Ufer fort, das sich flach und freudlos in der Ferne abzeichnet und nicht undeutlicher wird. Die Stille um mich ist von Angst gespannt, aufgebläht wie eine Riesenwolke.

Jeden Tag spaziere ich mit meiner Hündin, die auf die genau gleiche Weise hinkt wie ich (ich bin mir des lächerlichen Anblicks bewusst), durch das Vorstadtquartier; wenn ich stehen bleibe, verhält auch das Tier den Schritt und blickt zu mir auf. Auf einem dieser Spaziergänge geschah es, dass ich zum Dichter wurde: Am Straßenrand stand ein Auto, das der Frost vielleicht unsichtbar machen wollte, denn es schien in ein weißes, dünnes Seidenpapier verpackt. Auch der Himmel, der zwischen den weißen Dächern baumelte, war weiß. Als ich das Auto beinah erreicht hatte, sah ich, dass der Finger eines Kindes es mit Buchstaben, mit einem Wort zurückholen wollte aus dem Versteck, es zugleich verwandelte, ihm seine Bedeutung als Auto, die durch die weiße Verkleidung schon in Frage gestellt war, noch einmal und mit Nachdruck wegnahm. Auf der Kühlerhaube stand etwas geschrieben, ein Wort, das mein Interesse weckte; nahe vorbeigehend, entzifferte ich: ZORN. Ich war erregt, eigenartig aufgewühlt, als teile mir das nackte Gesicht einer weiß verhüllten Braut etwas mit, als läse ich in ihrer Miene eine Botschaft, die mit ihrer Eigenschaft als Braut nicht in Zusammenhang stand. Seit jenem Augenblick frage ich mich, ob nicht Worte über der großen Leere, über dem Abgrund, in den mein Leben ge­­­fallen ist, eine neue Welt schaffen können. Ich schreibe nun Tag und Nacht Wörter, male mit ihrem Klang die Fluten des Himmels, die einen tollwütigen Fisch vor mein Fenster treiben; ich baue Türme und Brücken, lasse die Sonne mit blitzendem Besen die Schatten aus den Schluchten kehren und schüttle den Kopf, wenn der Wind, den ich beschreibe, wie ein Vagabund in einem Winkel alte Zeitungen liest; hastig, mit lachhafter Neugier, blättert er um.

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