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Werner besucht Konzerte, weil er Musikkritiken für eine mittelgroße Zeitung schreibt. Stets bangt er um die Musiker; er bewundert ihren Fleiß, ihre Hingabe und ihren Mut und ist froh, dass sie nicht in Ohnmacht fallen. Der Applaus des Publikums entzückt ihn, und wenn Blumen überreicht werden, weint er beinah. Er lobt die Interpreten in schwülstiger Sprache, beschreibt die mutmaßlichen Empfindungen des Publikums während des Konzerts und berichtet Anekdoten über die Komponisten, die er aus seinen in Buchantiquariaten erstandenen Musikerbiografien abschreibt. Er möchte seine Leser unterhalten, an den Strängen ihrer Gefühle ziehen und in ihren Herzen frommes Sonntagsgeläute erklingen lassen.

Am Tag nach jenem Konzert sandte er Esther eine Kopie seiner Besprechung und kaufte für sie den Flügel; er ließ ihn in den einzigen Raum seiner Sozialwohnung stellen, in der er seit vielen Jahren haust, und zahlt ihn in Raten. Der Flügel wohnt im Zimmer wie ein düsteres Tier in einem zu engen Käfig. Werner benützt ihn, da er seinen Tisch aus Platzman­gel verkaufen musste, als Esstisch, Toilettentisch und Arbeitstisch und telefoniert Esther in regelmäßigen Abständen; sie antwortet ausweichend mit einer netten Kinderstimme. An einsamen Abenden stellt er sich vor, wie sie ihre kleinen, hellen Hände über der Klaviatur auf und ab würfe; flink paddelte sie durch den Strom der Melodien, so dass es im Zimmer strudelte und plätscherte und Werner, auf dem Bett sitzend wie Noah in der Arche, die Füße anzöge und über seine Rettung lächelte.

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