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Des Knaben scheinbar steinerne Gelassenheit reizte seine Erzieher; er begriff ihr Unverständnis, betrachtete sie aber mit Wonne als seine Feinde und vermochte sie insgeheim zu hassen. Manchmal verließ ihn aber diese einzige Freude, dann glaubte er, er sei eine Warze, die man wegätzen müsse.

Als Helga, die junge Erzieherin, ins Heim eintrat, hatte Wotanek sich eben in seinem Innern ein zärtliches Getüm erschaffen, das ihn zu Tode biss, ein Loch für seinen Leichnam grub und aus Verzweiflung über seinen Tod die Nächte mit Geheul sprengte. Wotanek war reif für die Liebe und beinah glücklich, was sich nicht änderte, als Helga ihn am Tage seiner Volljährigkeit heiratete. Sie hatte zwar ihre Stelle als Erzieherin verloren, doch da sie tüchtig war, arbeitete sie in verschiedenen Berufen zur Zufriedenheit ihrer Arbeitgeber. Sie verwöhnte und demütigte Wotanek, der nun kränkelte und in wenigen Jahren zu einem schönen Skelett wurde, das meist lesend in einem Lehnstuhl kauerte. Wenn Helga nach der Arbeit mit strammen Schritten die Wohnung durchmaß, summte sie: «Auf, du junger Wandersmann», was aber Wotanek nicht zu irritieren schien. Er lebte nun sozusagen hinter doppelten Mauern; hinter der Wand seines Gesichts und hinter den Deckeln der Bücher – und auch vor sich selber hatte er sich versteckt: So gestand er sich nicht ein, dass er von seiner Gattin, die er in jugendlicher Verstiegenheit mit dem Getüm verwechselt hatte, enttäuscht war; er verstummte, führte nicht einmal mehr Selbstgespräche.

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