Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

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Der Vater kam früher als sonst nach Hause. Er holte sein altes klappriges Militärvelo aus dem Keller hervor. Nie hatte ich ihn darauf fahren sehen. Wir Kinder schauten ihm ängstlich zu, wie er sich unsicher auf sein Fahrrad schwang und schwankend davonfuhr. Uns war mulmig zumute.

Von der Mutter wurden wir zum Nachtessen gedrängt. Doch niemand brachte einen Bissen herunter. Es wurde langsam dunkel draussen, und wir Mädchen wurden ins Bett geschickt, wie sehr wir uns auch dagegen sträubten. Wir waren zu aufgeregt, um einschlafen zu können. Wenn ihm nur nichts passiert war!

Da plötzlich hörten wir fremde Stimmen im Wohnzimmer. Wir spähten durch den Türspalt und sahen zwei Jugendliche und zwischen ihnen unseren kleinen Bruder. Er war wieder da! Aber wer ­waren diese Burschen? Am anderen Morgen erfuhren wir, dass sie zwei entfernte Verwandte von uns waren. Am Abend in der Stadt unterwegs, trafen sie auf den Präses ihrer Jugendgruppe – unseren Onkel Pfarrer, der auch auf der Suche nach dem Bruder war. Von ihm erfuhren sie von dem vermissten Buben. Auf dem Heimweg fiel ­ihnen dann ein kleiner Junge auf, der bei einbrechender Dunkelheit ganz allein über die lange Eisenbahnbrücke schlenderte. Als sie ihn ansprachen, wollte er davonrennen. Er war jedoch zu müde nach dieser langen Wanderung und liess sich widerstandslos auf eines der Fahrräder hieven und nach Hause chauffieren, die volle Einkaufs­tasche fest an sich gedrückt.

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