Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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Am Leben zu bleiben, bedeutete, sich jeden Morgen schnell und wachsam den neuen Regeln zu entziehen. Dies musste jeder Einzelne selbst in die Hand nehmen. Der einzige Weg führte über gefälschte Arierausweise. Diese waren aufgrund der konstanten, strengen Kontrolle durch die Gendarmerie und Sonderpolizei auf Strassen und öffentlichen Plätzen unumgänglich geworden. Auch Hausmeister in Wohnblöcken übernahmen als loyale Diener des Regimes diese Aufgabe. Nur wer die passenden Papiere hatte, konnte hoffen, der Deportation zu entkommen – was bedeutete, am Leben zu bleiben.
Die ständige Änderung von Namen und Adressen erforderte eine Unzahl an Dokumenten. War man geschickt, bot ein solches Dokument die Chance und die Grundvoraussetzung zum Überleben. Den Mitgliedern der Chaluz-Bewegung verschafften die gefälschten Papiere hauptsächlich die nötige Handlungsfreiheit zur Rettung anderer.
Das Personal der Fälscherwerkstatt setzte sich ausschliesslich aus Laien jeglicher professioneller Herkunft zusammen. Es gab keinen einzigen Drucker oder Hersteller unter uns. Es fehlten uns die technischen Grundkenntnisse in jedem Bereich der Dokumenten- und Stempelherstellung.48 Niemand hatte die fachlichen Erfordernisse oder die hohe Nachfrage und den Umfang des Bedarfs an gefälschten Dokumenten vorhergesehen oder vorhersehen können. Das Team musste improvisieren und eigenständig in aller Eile komplexe Arbeitsabläufe erfinden, deren Aneignung normalerweise Jahre in Anspruch nehmen würde. Aber wir lernten in der Praxis, was nötig war, um die Standards und technischen Anforderungen unserer Arbeit zu erfüllen. Wir fanden heraus, wie wir vorzugehen hatten, um die auftretenden Schwierigkeiten zu meistern und zu umgehen.