Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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Carl Lutz in den Ruinen der Britischen Gesandtschaft, Budapest, Ungarn 1945
Erste Weihnachten in Bern, Schweiz 1949
Porträtaufnahme von Carl Lutz 1965
Oral History – Gespräche mit Geretteten und Zeitzeugen
Die in diesem Buch vorliegenden Berichte bzw. Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden und Zeitzeugen sind über einen Zeitraum von 25 Jahren (1995–2020) in Israel, Ungarn, der Schweiz, Grossbritannien, Kanada und den Vereinigten Staaten erfasst und gesammelt worden. Den Begriff «Zeugnis» verwenden wir dabei nicht in seiner juristischen Bedeutung, sondern fassen ihn, um den multiplen methodologischen Ansätzen gerecht zu werden, in weitem Sinn als «Weitergabe von Informationen, für die sowohl ein innerer, unbeugsamer Druck sie mitzuteilen besteht als auch eine äussere Bereitschaft und ein Verlangen, diese zu empfangen»19.
Nachfolgend steckt François Wisard, Leiter des Historischen Dienstes beim EDA, den historischen Zeitrahmen ab, der die Rettungsmassnahmen von Carl Lutz in den Kontext anderer Rettungseinsätze durch Diplomaten und das Internationale Rote Kreuz in Budapest während des Kriegs stellt. Wisards Überlegungen zu den höchst komplizierten Rettungsmissionen unter Schweizer Leitung führen uns zum ersten Kapitel, das Zeugnisse ehemaliger Mitglieder von vier zionistischen Jugendbewegungen vorstellt: Bne Akiva, Hanoar Hazioni, Haschomer Hazair und Hechaluz. In diesem Kapitel ist auch der Zeugenbericht eines Nichtjuden enthalten, Paul Fabry. Fabry, der zum militärischen Widerstand gehörte, stellte eine Truppe zusammen, die vorgeblich mit der Bewachung des Glashauses beauftragt war. Während die falsche Militäreinheit vortäuschte, die Insassen des Glashauses gefangen zu halten, schützten er und seine Soldaten in Wirklichkeit die jüdischen Bewohner vor Angriffen und Verhaftungen durch die Pfeilkreuzler. Sein Bericht erinnert uns daran, wie viele individuelle Widerstandsaktionen zu den von der Schweiz geführten Rettungsmissionen beigetragen haben: «Es gab keinen einzigen geretteten Juden, ohne dass nicht Dutzende andere daran beteiligt waren. Da war derjenige, der ihn ins Haus hereinliess, derjenige, der ihn zum Taxi brachte, derjenige, der ihm ein bisschen Kleingeld oder etwas zu essen gab, derjenige, der mit gefälschten Bescheinigungen von einem Ort zum andern rannte, derjenige, der den Telefonanruf machte, um ihm zu sagen, er soll fliehen. Es war eine Kette von Ereignissen, und eine einzige Sekunde konnte von Bedeutung sein. Wo konnte in dieser Sekunde jemand helfen? War jemand da, der einem zu Hilfe kam? War jemand da, der einem dieses Papier gab? Niemand konnte allein tausende Verfolgte retten. Und das trifft auch für Lutz zu. Lutz war ein Held, aber er brauchte Hunderte andere, die ihm halfen.»