Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн

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Es sollte allerdings eingestanden werden, dass auch unsere Bewegung auf diesen plötzlichen Umschlag nicht vorbereitet war, so sehr sie auch mit ihm gerechnet hatte. Unsere erste Aufgabe bestand darin, für alle Mitglieder der Bewegung christliche Dokumente zu beschaffen. Das schien kein einfaches Unterfangen. In den ersten Tagen herrschte ein Gefühl der Hilflosigkeit. Bisher waren die Juden in Ungarn gesetzestreue Staatsbürger gewesen. Auch wir waren es gewohnt, uns in den «Kens» der Bewegung [Hebräisch für «Vogelnester»: Versammlungsorte, an denen die Aktivitäten der Bewegung stattfanden] und in verschiedenen zionistischen Büros zu treffen. Von nun an beschlossen wir, um alle diese Orte einen weiten Bogen zu machen. Die gesamte Bewegung musste dezentralisiert werden und wieder auf die Strasse zurückkehren. Das war natürlich keine leichte Sache, und auf der Strasse bestand ständig die Gefahr, überfallen zu werden. Wir suchten verschiedene Plätze der Stadt auf und hielten nach Menschen Ausschau, die jüdisch aussahen. Ausserdem war die Stadt zu einer betäubten Festung geworden. Die jüngsten Ereignisse wurden mehrere Tage lang nicht publik gemacht. Wir hatten keine Ahnung, was aus Horthy geworden war und welches Schicksal dem Land beschieden sein würde. Die Macht lag in den Händen der Gestapo. Führende Liberale waren gleich am ersten Tag verhaftet worden, darunter viele bekannte Juden – nach Listen.

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