Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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Am 21. März wurden Vertreter der jüdischen Gemeinde zu einem Treffen einberufen, bei dem ihnen freundlich mitgeteilt wurde, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchten, es werde ihnen kein Schaden zugefügt. Sie sollten in Ruhe ihren Geschäften nachgehen. Zwar müssten die Juden einen Teil ihrer überschüssigen Energie eindämmen, aber niemand habe um sein Leben zu fürchten. Es war der Zeitpunkt, da der «Judenrat» oder «Jüdische Rat» ernannt wurde. Die weisen Budapester Juden fielen auf den primitiven Taschenspielertrick der Gestapo herein, und der Optimismus war gross. Bis dahin waren bereits mehrere Juden im wieder eingerichteten Konzentrationslager Kistarcsa verschwunden. Der Judenrat war darauf nicht vorbereitet und der neuen Situation hilflos ausgeliefert. Angesichts des Leids und der Unfähigkeit, dem jüdischen Normalbürger Antworten zu geben, beschlossen die Zionisten, im Ratsgebäude in der Síp-Gasse 12 eine Informationsstelle einzurichten. Die meisten altgedienten Zionisten arbeiteten in diesem Gebäude, aber es war eine Sisyphusarbeit. Also sind wir aktiv geworden. Zum Glück hatten wir nach langer Wartezeit gerade ein Kopiergerät [einen Schapirographen] aus der Slowakei erhalten. Da unsere slowakischen Freunde uns zusammen mit dem Schapirographen alle notwendigen Tintenarten geschickt hatten, waren wir in der Lage, alles herzustellen, was wir wollten [in verschiedenen Privatwohnungen und in einer Werkstatt in der Izabella-Gasse]. Es war eine gefährliche Angelegenheit, in irgendeiner Wohnung an der Herstellung von gefälschten Dokumenten beteiligt zu sein, vor allem in der Zeit, da Hausdurchsuchungen an der Tagesordnung standen. Damals bestand die Bewegung in Budapest aus fast 500 Mitgliedern. In der Anfangszeit mussten wir jeden Tag jedes einzelne Mitglied treffen, nur um sicherzugehen, dass niemand verhaftet worden war, aber den Leuten war auch sehr daran gelegen, uns ihre kleinsten Probleme mitzuteilen. Ich war für die Verbindung mit [Rezső] Kasztner und seinen Männern im Judenrat verantwortlich. Wie sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich nicht an meinen Tagesablauf erinnern. Ich weiss nur, dass ich sehr spät nachts nach Hause kam, meine Nerven blank lagen und mir quälende Gedanken im Kopf herumgingen, sodass es mir unmöglich war, mehr als drei oder vier Stunden am Stück zu schlafen.