Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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Schweizer Kollektivpass 1 (S. 34), Juli 1944
[Im Juli 1944] hatte uns die Schweizer Gesandtschaft die Möglichkeit gegeben, [im Glashaus in der Vadász-Gasse] halblegale «Sprechstunden» abzuhalten. Wir konnten hier Leute empfangen und in Ruhe ihre Probleme besprechen, ohne die Angst, von jemandem belauscht zu werden; was nicht so schlecht war, wenn in der Zwischenzeit andere warteten. Endlich hatten wir einen Ort gefunden – und das war vielleicht das Wichtigste dabei –, wo wir uns jederzeit aufhalten konnten. Hier konnte jeder, der wollte, vorbeikommen und uns darüber informieren, dass er oder sie noch am Leben war. Hier konnte jeder, der es brauchte, vorbeikommen und Ersatz für eine fehlende Meldebescheinigung oder die Geburtsurkunde seiner Grossmutter in Auftrag geben – wenn diese plötzlich benötigt wurden. Freunde, die aus Arbeitslagern geflohen waren, konnten uns hier finden.
Immer häufiger tauchten Detektive vor dem Glashaus auf. Wir wurden verfolgt, nicht zu auffällig, aber eindeutig. Um sicherzugehen, nahm ich im Gebäude und wenn ich ans Telefon gerufen wurde, den Namen Dr. Rafai anstelle von Rafi an. Viel gefährlicher als die Detektive war jedoch ein Haufen jüdischer Spitzel, angeführt von einem polnischen Juden namens Steiner, der auch Leute erpresste. Zu Beginn hielt er sich im Glashaus auf, später, als er keinen Zutritt mehr hatte, ging er stundenlang vor dem Gebäude auf und ab. Überraschenderweise waren wir Mitglieder vom Haschomer Hazair die Einzigen, die der Bande nicht zum Opfer fielen, vielleicht respektierten sie unsere Stärke. Eine ständige derartige Bedrohung war jedoch nicht besonders angenehm. Um die Situation ein wenig zu entschärfen, gründeten wir – wenn auch mit grosser Verspätung – innerhalb der Auswanderungsabteilung eine Abteilung für die Auswanderung Jugendlicher. So ist es uns wenigstens gelungen, einen Raum für die Organisation Hechaluz zu bekommen. Dies gab unserer Arbeit eine Art Rahmen, den wir selbst mit der Zeit für notwendig erachteten, vor allem im Hinblick auf die bereits erwähnten Detektive und Informanten. Wir versprachen [Mosche] Krausz, dass wir uns nicht mit gefälschten Papieren und der Verteilung von Geld abgeben würden, ein Versprechen, das wir keine Sekunde lang einzuhalten gedachten.