Читать книгу Anna Göldi - geliebt, verteufelt, enthauptet. Der letzte Hexenprozess und die Entdämonisierung der Frau онлайн

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Das revolutionäre Gedankengut breitete sich rasch in ganz Europa aus und fiel auch in der Eidgenossenschaft auf fruchtbaren Boden. Nicht nur das Volk war für die neuen Parolen empfänglich. Es gab auch unter den Aristokraten besonnene Leute wie Gottlieb Emanuel von Haller in Bern (1735–1786), Johann Caspar Lavater (1741–1801) in Zürich oder den Glarner Altlandammann Cosmus Heer (1727–1791), die liberal dachten und gesellschaftliche und politische Reformen begrüssten. Heer war Gründer von Lesegesellschaften, in denen humanistisch gebildete Bürger über die Ideen der Aufklärung diskutierten. Diese freiheitlich gesinnten Aristokraten erkannten, dass Zugeständnisse an das Volk unumgänglich waren und die alte Ordnung mit sturem Festhalten an Macht und Privilegien nicht mehr zu retten war.

Der Grossteil der Machthaber sperrte sich jedoch gegen noch so massvolle Neuerungen. Statt Kompromisse zu schlies­­­sen, krallten sie sich an ihrer Macht fest und setzten alles daran, die Freiheitsbestrebungen im Volk zu unterdrücken. Noch nach der Französischen Revolution von 1789 und fast bis zum Untergang der Alten Eidgenossenschaft im Jahr 1798 stellten sich die Regenten auf den Standpunkt, die Herrschaftsverhältnisse hätten sich bewährt und die Forderungen nach persönlicher Freiheit und Demokratie seien «ein Muster von Unsittlichkeit und Verletzung allen Anstandes». Das Volk sei «blind in die kleinsten Freiheitsgenüsse verliebt», klagte der mächtige Pfarrherr und Camerarius Tschudi.

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