Читать книгу Anna Göldi - geliebt, verteufelt, enthauptet. Der letzte Hexenprozess und die Entdämonisierung der Frau онлайн

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So drehte Doktor Tschudi den Spiess um und schuf eine völlig neue Ausgangslage mit vertauschten Rollen. Der des Ehebruchs und der ausserehelichen Zeugung eines Kindes bezichtigte Arzt und Richter war nicht mehr der Hauptbeschuldigte, er stellte sich jetzt im Gegenteil als Opfer dar. Anna Göldi, Wochen zuvor noch in der Rolle der Anzeigeerstatterin und Klägerin auf «Reparation» beziehungsweise Schadenersatz oder Wiedergutmachung, wurde zur Beklag­ten, zu einer Übeltäterin, die Tschudis Kind Annamiggeli verletzen, vielleicht sogar töten wollte.

Seltsamerweise hatten die Tschudis Wochen zuvor, im Oktober 1781, als diese Vorfälle passiert sein sollen, nicht rea­giert. Warum gelangten die Tschudis nicht schon früher an die Behörden und meldeten die angeblichen schlimmen Übergriffe der Magd auf das Kind? Warum schwiegen sie fast zwei Monate lang über das Drama?

Die Ehefrau des Arztes und Mutter des Kindes äusserte sich erstmals am 13. Dezember 1781 zu den Vorkommnissen – also rund sieben Wochen nach der Entlassung der Magd. Sie schilderte, dass die Magd Annamiggeli mehrmals Gegenstände in die Milchtasse gelegt habe – erstmals am 19. Oktober, eine Woche vor ihrer Entlassung. Zunächst habe die Mutter dem Vorfall keine Bedeutung beigemessen, weil sie gedacht habe, das Kind selbst habe eine Gufe in die Tasse fallen lassen.

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