Читать книгу Anna Göldi - geliebt, verteufelt, enthauptet. Der letzte Hexenprozess und die Entdämonisierung der Frau онлайн

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In dieser turbulenten Zeit wurde in der Eidgenossenschaft eine Reihe politisch motivierter Todesurteile gefällt. Je mehr die Herrscher in Bedrängnis kamen, umso mehr benutzten sie die Justiz als Mittel zur Machterhaltung und gingen gegen Regimekritiker unerbittlich vor. Sie liessen wegen Verrates und aufrührerischer Umtriebe unzählige Oppositionelle oder Andersdenkende verfolgen, foltern und hinrichten. Enormes Aufsehen erregte der Fall des wegen Pressedelikten ange­klag­ten Zürcher Pfarrers Johann Heinrich Waser, der 1780 als Landesverräter hingerichtet wurde.

Immer vehementer erhoben andererseits die Menschen in den von eidgenössischen Orten kontrollierten Untertanengebieten ihre Forderungen nach Freiheit und Unabhängigkeit. Sie hatten die Stellung von Knechten und Hörigen, die ihren Herren hohe Abgaben entrichten und Huldigungen entgegenbringen mussten. So zum Beispiel in der Herrschaft Werdenberg im heutigen St. Galler Rheintal, wo die Glarner Vögte mit harter Hand regierten.

Die in unmittelbarer Nachbarschaft von Werdenberg aufgewachsene Anna Göldi nannte die Vertreter der Oberschicht ehrfurchtsvoll «Herren». Die soziale Kluft zwischen ihr und ihrem Dienstherrn Tschudi hätte nicht grösser sein können. Doktor Tschudi war Ratsherr, Mitglied der Ehrenfamilie Tschudi, freier Bürger des Standes Glarus. Anna Göldi war auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Rangordnung. Eine «fremde Person», eine ledige Magd aus Sennwald, eine Frau ohne Recht und Würde.

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