Читать книгу Anna Göldi - geliebt, verteufelt, enthauptet. Der letzte Hexenprozess und die Entdämonisierung der Frau онлайн
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Zweihundert Jahre später führte der Glarner Pfarrherr Camerarius Tschudi, nebenbei ein leidenschaftlicher Geschichts- und Familienforscher, das Erbe des berühmten Übervaters weiter. In zwanzig Bänden beschrieb er die Geschichte des von Gott auserwählten «uralten adelichen Geschlechts». Seine Mission: die Erinnerung an die grosse Lichtgestalt Aegidius Tschudi auferstehen lassen und der Tschudi-Dynastie neuen Glanz und Ruhm verleihen.
Camerarius Johann Jakob Tschudi (1722‒1784). Landesarchiv des Kantons Glarus, Glarus.
Doch die Zeit der Familienherrschaft ging ihrem Ende entgegen. Im 18. Jahrhundert bahnten sich als Folge der Aufklärung in ganz Europa tiefgreifende Veränderungen an. Denker wie Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) und Voltaire (1694 bis 1778) rüttelten an jahrhundertealten Dogmen und stellten die «gottgewollte» Weltordnung in Frage, die Menschen von Geburt an in Herrscher und Untertanen einteilte. Sie entwarfen neue Gesellschaftsmodelle, die den Menschen ein Mindestmass an demokratischer Mitbestimmung und Grundrechten zuerkannten. Dazu gehörten etwa die Meinungsäusserungs- und Religionsfreiheit sowie die Rechtsgleichheit: Jede Person sollte – unabhängig von ihrer familiären Abstammung und sozialen Stellung – gleiche Rechte haben.