Читать книгу Bruder Tier. Mensch und Tier in Mythos und Evolution онлайн
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Der Nestbau wird von beiden Partnern gemeinsam durchgeführt. Erst arbeitet der eine, und wenn er müde ist, kommt der andere daran, bis nach Tagen das Gehege (meistens eine Vertiefung im Boden, die einer kleinen Höhle gleicht) fertig ist. Dann steigen nach getaner Arbeit Mann und Frau gemeinsam zum Strand herunter und haben dort ihr Bad und ihre Abendmahlzeit. Dann trifft man sich zu einer Plauderstunde mit seinen Bekannten, flaniert die Hauptstraßen entlang, um endlich ins neugebaute Haus zurückzukehren.
Das nach drei bis vier Wochen gelegte Ei wird mit Erstaunen und Freude begrüßt, und wieder sind es beide Eltern, die das Geschäft des Brütens abwechselnd miteinander besorgen. Es ist eine Zeit der Gefahr und Bedrohung. Räuberische Möwen lauern überall darauf, die kostbaren Eier zu stehlen und zu verspeisen. Nur etwa die Hälfte aller Küken kriechen aus, und auch diese werden in großer Zahl noch Opfer der Feinde und unwirtlichen Lebensbedingungen. Für die Kleinen der Kaiserpinguine gibt es kein Nest. Das Ei wird in einer Bauchfalte aufgehoben und ausgebrütet, und das Pinguinkind hockt durch Wochen auf den Füßen des Vaters, von dessen Bauch überwölbt, geschützt und gewärmt. Die Mutter ist fern, irgendwo in den Gewässern, um sich neue Kräfte anzuessen. Die Väter aber stehen zu Hunderten und Tausenden in der eisigen Polarnacht dicht aneinandergedrängt, um den vernichtenden Todesstürmen standzuhalten. Sie bilden ganze Trauben von Pinguinen, die sich gegenseitig das letzte Maß an Wärme, das ihnen geblieben ist, zuführen. Wenn die Jungen schlüpfen, kehren die Mütter vom Meer zurück, während die abgemagerten Väter jetzt dorthin gehen, um sich erneut Kräfte anzuessen. Am Boden dieser Vogel-Traube hocken die kleinen, fast federlosen Pinguinkinder und warten auf den Strahl der nach Wochen wiederkehrenden Sonne. Das Leben der Pinguine ist nicht nur Spiel und Lust. Wenn sie an Land sind, dann tragen sie ihr Vogelschicksal gleich einer schmerzlich lastenden Erinnerung mit sich, und Qual und Not sind ihr Teil.