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Mit Helmuth ließ sich die Sache nicht besprechen; der beneidete ihn und redete wie die Erwachsenen, die alle sagten, daß ein künftiger Soldat froh und stolz sein müsse. Jan war der einzige, der kein Heuchler und Verräter war; der hatte bloß gefragt, ob der Jungherr froh wäre, und stellte sich nicht so, als ob er daran glaubte. Natürlich mochten die anderen und auch Helmuth es nett gemeint haben, wollten ihn bloß trösten. Niemals hatte Joachim es verwunden, daß er damals im stillen von dem Verräterturn und der Heuchelei Helmuths überzeugt gewesen war; denn hatte er es auch sofort gut machen wollen und ihm all seine Spielsachen geschenkt, so hätte er sie ohnehin nicht in die Kadettenanstalt mitnehmen dürfen, und es war keine Entschuldigung. Auch die Hälfte des Ponys, das den Knaben gemeinsam gehörte, hatte er ihm geschenkt, so daß Helmuth nun ein ganzes eigenes Pferd besaß. Diese Wochen waren eine unheilschwangere und doch eine gute Zeit; niemals, weder früher noch später, war er mit dem Bruder je so befreundet gewesen. Dann allerdings kam das Unglück mit dem Pony: Helmuth hatte für diese Zeit auf seine neuen Anrechte verzichtet, und Joachim durfte über das Pony allein verfügen. Zwar war es kein sehr bedeutender Verzicht, denn der Boden war in diesen Wochen aufgeweicht und tief, und es bestand ein strenges Verbot, bei solchem Boden auf die Felder zu reiten. Joachim aber fühlte das bessere Recht des Scheidenden, und da überdies Helmutheinverstanden war, ritt er unter dem Vorwand, dem Pony in der Koppel Bewegung zu machen, auf den Acker hinaus. Nur zu einem ganz kurzen Galopp hatte er angesetzt, als schon das Unglück geschehen war; das Pony geriet mit dem Vorderbein in eine tiefe Grube, überschlug sich und konnte nicht mehr aufstehen. Helmuth kam herbeigelaufen, dann kam auch der Kutscher. Das Pony lag dort, den struppigen Kopf in den Schollen des Ackers, und ließ die Zunge seitwärts aus dem Maule hängen. Joachim sah noch, wie er und Helmuth dort knieten und den Kopf des Tieres streichelten, aber er vermochte sich nicht mehr zu entsinnen, wie sie heimgekommen waren, wußte bloß, daß er in der Küche stand, in der es mit einem Male ganz still geworden war, und daß alle ihn anschauten, als wäre er ein Verbrecher. Dann hatte er die Stimme der Mutter gehört: »Man muß es Vater sagen.« Und nun stand er plötzlich im Arbeitszimmer des Vaters, und es war, als ob das Strafgericht, das die Mutter ihnen so oft mit dem verhaßten Satze angedroht hatte, nunmehr aufgestapelt und angesammelt, über ihn hereinbrechen müßte. Doch es erfolgte nichts. Der Vater ging bloß stumm und geradlinig in dem Raume auf und ab, und Joachim versuchte stramm zu stehen, blickte auf die Geweihe an der Wand. Als noch immer nichts erfolgte, begannen seine Blicke zu schweifen und blieben an dem blauen Sand in der Papierkrause des braun-polierten sechseckigen Spucknapfes neben dem Ofen hängen. Fast hatte er vergessen, warum er hergekommen war; bloß der Raum schien noch weiter als sonst zu sein, und in der Brust lastete etwas Eisiges. Endlich klemmte der Vater das Einglas ins Auge: »Es ist die höchste Zeit, daß du aus dem Hause kommst«, und nun wußte Joachim, daß sie alle geheuchelt hatten, sogar Helmuth, und in diesem Augenblicke war es Joachim sogar recht, daß das Pony sich das Bein gebrochen hatte, und auch die Mutter hatte ihn immerzu verklatscht, damit er aus dem Hause käme. Dann sah er noch, wie der Vater die Pistole aus dem Kasten nahm. Ja, und dann erbrach er sich. Am nächsten Tag erfuhr er von dem Arzte, daß er eine Gehirnerschütterung erlitten hätte, und er war stolz darauf. Helmuth saß an seinem Bette, und obwohl Joachim wußte, daß das Pony vom Vater erschossen worden war, sprachen sie nicht ein Wort davon, und es war wieder eine gute Zeit, sonderbar geborgen und abgerückt von allen Menschen. Trotzdem nahm sie ein Ende, und mit einer Verspätung von einigen Wochen wurde er nach Culm in die Anstalt eingeliefert. Doch wenn er dort vor seinem schmalen Bett stand, das so ferne und weit abgerückt war von seinem Krankenbette in Stolpin, da schien es fast, als hätte er jene Abgerückheit mit herübergenommen, und dies machte ihm den Aufenthalt fürs erste erträglich.

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