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Indessen hatten sich die beiden Mädchen gesetzt, und Ruzena sprach mit einer tiefen Stimme und lachte über sich selbst, weil sie noch immer nicht Deutsch erlernt hatte. Joachim ärgerte sich, weil der Alte die Erinnerung an die Polinnen heraufbeschwor, mußte aber selber an eine Erntearbeiterin denken, von der er als kleiner Junge auf den Wagen mit den Garben gehoben worden war. Aber wenn sie auch mit hart stakkatiertem Tonfall alle Artikel durcheinanderwarf und von die Direktor und das Stadt sprach, so war sie doch eine junge Dame, die in steifem Korsett und guter Haltung das Sektglas zum Munde führte, und war etwas anderes als eine polnische Erntearbeiterin; mochte das Gerede über den Vater und die Mägde wahr sein oder niCht, Joachim hatte damit nichts zu schaffen, aber mit dem zarten Mädchen hier sollte der Alte nicht wagen, ebenso zu verfahren, wie er es vielleicht gewohnt war. Trotzdem wollte sich das Leben eines böhmischen Mädchens nicht anders vorstellen lassen als das der Polinnen -schien es doch schon bei deutschen Zivilisten unmöglich, ein Lebendiges hinter der Marionette des Bewegten sich vorzustellen-, und wenn er versuchte, um Ruzena eine gute Stube zu denken, eine gute matronenhafte Mutter, einen guten Freier mit Handschuhen, so stimmte dies nicht, und Joachim kam von dem Gefühl nicht los, daß dort alles wild, geduckt, tartarisch vor sich gehen müsse: Ruzena tut ihm leid, obwohl sie sicherlich etwas von einem kleinen geduckten Raubtier spüren läßt, in dessen Kehle der dunkle Schrei steckt, dunkel wie die böhmischen Wälder, und er möchte wissen, ob man mit ihr reden kann wie mit einer Dame, denn all dies ist erschrekkend und doch verlockend und gibt dem Vater und seinen schmutzigen Absichten irgendwie recht. Er fürchtet, daß auch Ruzena dies durchschauen könne, und er sucht in ihrem Gesicht nach Antwort; sie merkt es und lächelt ihm zu, doch ihre Hand, die weich über die Tischkante hängt, läßt sie von dem Alten tätscheln, und der tut es in aller Öffentlichkeit und versucht dabei, seine polnischen Brocken anzubringen, eine sprachliche Hecke um sich und das Mädchen zu errichten. Natürlich dürfte sie ihn nicht gewähren lassen, und wenn es in Stolpin immer hieß, daß die polnischen Mägde unzuverlässig seien, so hatte man vielleicht recht. Aber vielleicht ist sie bloß zu schwach, und die Ehre würde es verlangen, daß man sie vor dem Alten schütze. Solches allerdings wäre das Amt ihres Liebhabers; besäße Bertrand eine Spur von Ritterlichkeit, so hätte er nachgerade die Pflicht, endlich aufzutauchen, um dies alles mit leichter Hand in Ordnung zu bringen. Unvermittelt beginnt Joachim mit den Kameraden von Bertrand zu sprechen, ob sie schon lange nichts von Bertrand gehört hätten, was er wohl treibe, ja, ein merkwürdiger verschlossener Mensch sei Eduard v.Bertrand. Aber die Kameraden haben schon viel Sekt getrunken, geben verkehrte Antworten und wundern sich über nichts mehr, nicht einmal über die Beharrlichkeit, mit der Joachim am Thema Bertrand hängenbleibt, und so listig er den Namen immer wieder besonders laut und deutlich ausspricht, auch die beiden Mädchen zucken mit keiner Wimper, und der Verdacht keimt in ihm auf, Bertrand könne schon so tief gesunken sein, daß er hier unter falschem Namen verkehre; also wendet er sich direkt an Ruzena, ob sie nicht doch v. Bertrand kenne... , bis der Alte, hellhörig und geschäftigtrotzallen Sektes, fragt, was denn Joachim jetzt mit diesem v. Bertrand wolle: »Suchst ihn ja, als ob er hier sichtbarlieh versteckt wäre.« Joachim verneint errötend, aber der Alte ist im Schwatzen: ja, er habe den Vater, den alten Oberst v. Bertrand gut gekannt, der habe das Zeitliche gesegnet, schon möglich, daß ihn dieser Eduard ins Grab gebracht hat. Er hätte es sich ja, hieß es, so sehr zu Herzen genommen, daß der Schlingel ausgesprungen sei, kein Mensch wisse warum und ob nicht etwas Schmutziges dahinter gesteckt habe. Joachim lehnte sich auf: »Ich bitte um Verzeihung, das sind haltlose Ausstreuungen - am allerwenigsten ist Bertrand ein Schlingel zu nennen.«- »Nur sachte«, meint der Alte und wendet sich wieder der Hand Ruzenas zu, auf die er nun einen langen Kuß drückt; Ruzena läßt es gleichmütig geschehen und betrachtet Joachim, dessen weiches helles Haar sie an die Kinder in ihrer Heimatschule erinnert. »Will ich nicht Ihnen Hof machen «, stakkatiert sie zu dem Alten, »aber hat liebe Haare der Sohn«, dann packt sie den Kopf der Freundin, hält ihn neben den Joachims und ist befriedigt, daß die Haarfarbe übereinstimmt: »Möchtet scheenes Paar sein«, erklärt sie den beiden Köpfen und fährt ihnen beiden in die Haare. Das Mädchen kreischt, weil sie ihr die Frisur zerzaust, Joachim spürt die weiche Hand am Hinterkopf, es ist ein kleines Schwindelgefühl, er wirft den Kopf zurück, als wollte er die Hand zwischen Kopf und Nacken einfangen, zum Verweilen zwingen, doch da geht die Hand ganz von selbst zum Nacken hinunter, streicht rasch und behutsam darüber hin. »Sachte, sachte!« hört er wieder die trockene Stimme des Vaters und dann bemerkt er, wie jener die Brieftasche zieht, zwei große Scheine herausnimmt und sich anschickt, sie den beiden Mädchen zuzustecken. Ja, so wirft der Alte, wenn er guter Laune ist, den Erntearbeiterinnen Markstücke zu, und obwohl Joachim dazwischenfahren möchte, kann er nicht verhindern, daß Ruzena ihre fünfzig Mark in die Hand gedrückt bekommt und sie sogar fröhlich einsteckt: »Danke, Pappa«, sagt sie, »Schwiegerpappa«, bessert sie sich aus und zwinkert zu Joachim. Joachim ist blaß vor Zorn; soll ihm der Alte ein Mädchen für fünfzig Mark kaufen? Der Alte, hellhörig, merkt den Verstoß Ruzenas und unterstreicht: »Na, mir kommt vor, daß dir mein Bengel gefällt... , an meinem Segen soll's nicht fehlen... « Hund, denkt Joachim. Aber der Alte hat jetzt Oberwasser: »Ruzena, schönes Kind, morgen komme ich als Brautwerber zu dir, wie es sich gehört, tipptopp; was soll ich dir als Morgengabe mitbringen... aber du mußt mir sagen, wo dein Schloß steht... « Joachim schaut weg, wie einer, der bei einer Hinrichtung nicht das Beil fallen sehen will, aber da wird Ruzena plötzlich steif, ihre Augen werden blind, die Lippen werden hilflos, sie stößt eine Hand fort, die helfend oder zärtlich nach ihr greifen will, und läuft davon, um sich bei der Toilettenfrau auszuweinen.

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