Читать книгу Warum die Schweiz reich geworden ist. Mythen und Fakten eines Wirtschaftswunders онлайн

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Es ist diese sehr weit zurückreichende Tradition des wirtschaftlichen Erfolgs, die zu einem massgeblichen Teil erklärt, warum es diesem Land schon so lange so gut geht. Je nachdem, welche Statistik man heranzieht, gehört die Schweiz nach wie vor zu den fünf reichsten Ländern der Erde, gemäss Internationalem Währungsfonds lag sie im Jahr 2021 mit einem Bruttoinlandprodukt pro Kopf von rund 95 000 $ auf Rang 2, gemäss Weltbank auf Rang 4, während die UNO sie auf Rang 3 verortete.5 Noch sind vergleichbare Zahlen für das 18. Jahrhundert nicht greifbar, auch wenn die Wissenschaftler sich darum bemühen, diese historischen Daten zutage zu fördern, aber mit Sicherheit ergäbe sich ein ähnliches Bild: Die Schweiz hätte sich schon zu jener Epoche in den vorderen Rängen wiedergefunden. Es trifft nicht zu, dass sie bis noch vor wenigen Jahrzehnten ein Armenhaus gewesen ist.

Das wirkt heute umso bemerkenswerter, als die Schweiz im 18. Jahr­hundert politisch gesehen das vielleicht rückständigste Staatswesen des Kontinents darstellte: Was als alte Eidgenossenschaft in die Ge­schichte eingegangen ist, war eine einmal fröhliche, dann zerstrittene, immer chaotische, oft handlungsunfähige Ansammlung von dreizehn souveränen Orten, den Vorläufern der heutigen Kantone – jeder für sich ein eigener Mikrostaat. Hinzu kamen ein paar Verbündete, die «zugewandten Orte», sowie viele gemeinsam verwaltete Untertanengebiete; im grossen Ganzen entsprachen die Aussengrenzen dieser alten Eidgenossen­schaft jenen der aktuellen Schweiz. Das war jedenfalls kein moderner Staat, sondern ein Relikt aus dem Mittelalter, das man in Europa belächelte oder für überholt hielt. Wie lange noch hatte es Bestand? Zumal es sich auch militärisch und aussenpolitisch um einen Zwerg handelte, der stets unter der berechtigten Paranoia litt, bald von den Riesen in der Nachbarschaft über­­wältigt zu werden. Wenn je ein Kleinstaat seit Jahr­hunderten überlebt hatte, dann die Schweiz – aber für immer? Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts das unglückliche und viel umfangreichere Polen von den drei Grossmächten Preus­­sen, Russland und Österreich kaltblütig aufgeteilt wurde, gab es in der Schweiz viele Melancholiker, die sich fragten, ob dies nicht auch der Eidgenossenschaft widerfahren könnte.

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