Читать книгу Katholisch und Queer. Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln онлайн
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Von der 4. Klasse an war ich Messdienerin und das bis zum Abitur. Ein Mitministrant (ein Jahr älter) war der erste homosexuelle Mensch, den ich persönlich kannte (abgesehen von den Buchhändlerinnen im Frauenbuchladen, die ich eher nur vom Sehen kannte). Trotzdem habe ich mich ihm gegenüber nicht wirklich geoutet. Ich wollte mit meinem Outing warten, bis ich meine erste Freundin hatte. Das hat bedauerlicherweise etwas länger gedauert. Aber indirekt habe ich mich schon geoutet, da ich beispielsweise ins schwule Café ging. Es war aber nicht wirklich Thema. Durch meinen Mitministranten habe ich Homosexualität weiter als etwas Normales kennengelernt.
Ein für mich und meine Beziehung zum Thema Homosexualität prägendes Ereignis war der Fastenbrief des Bischofs. (Ich denke, es war etwa 1994, vielleicht aber auch nicht der Fastenbrief, vielleicht auch nicht vom Bischof, aber irgendetwas in der Art). In diesem wurde Homosexualität (zumindest ihr Ausleben) als schlecht und nicht den katholischen Werten entsprechend bezeichnet. Das Schreiben sollte vom Pfarrer in der Messe vorgelesen werden. Ich hatte schon vorher von seinem Inhalt mitbekommen und mir war zu dem Zeitpunkt bewusst, dass die vorherrschende katholische Lehre Homosexualität ablehnt. Das passte natürlich überhaupt nicht zu meinem Verständnis, dass Homosexualität ganz normal ist. Ich war an dem Sonntag Messdienerin und hatte mir vorgenommen, dass das mein Ende mit der katholischen Kirche bedeuten würde, sollte der Pfarrer den Brief vorlesen und die Meinung des Bischofs vertreten. Mein Plan sah vor, dass dies mein letzter Einsatz als Messdienerin sein und dass ich der Kirche den Rücken zuwenden würde.