Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Außer den eben besprochenen allegorischenAllegorie gibt es noch andere Formen der Darstellung eines Dinges durch das andere, die man mit der figuralen Prophetie vergleichen könnte: nämlich die sogenannten symbolischenSymbol oder mythischen Formen, die man vielfach als charakteristisch für primitive Kulturen ansieht und die jedenfalls häufig in solchen angetroffen werden; über sie ist in letzter Zeit so viel Material zutage gefördert worden, und die sichtende Erklärung desselben ist noch so wenig abgeschlossen, daß man nur vorsichtig davon sprechen darf. Das Kennzeichnende dieser Formen, die zuerst von VicoVico, G. erkannt und beschrieben worden sind, besteht darin, daß das Bezeichnete stets etwas für die Beteiligten überaus Wichtiges, Heiliges, ihr Leben und Denken Bestimmendes sein muß und daß es im Zeichen, dem Symbol, nicht nur ausgedrückt und gleichsam nachgeahmt wird, sondern als selbst darin anwesend und enthalten gilt, so daß das SymbolSymbol stellvertretend selbst handeln und leiden kann, daß eine Einwirkung auf dasselbe einer Einwirkung auf das Symbolisierte gleichgeachtet wird und daß ihm in dieser seiner Stellung magische Kräfte zugeschrieben werden. Solche symbolische oder mythische Formen gab es noch in den Mittelmeerländern der Spätantike, allein sie hatten meist ihre magische Kraft verloren und waren zu AllegorienAllegorie abgeschwächt; ganz ähnlich wie in unseren modernen Kulturen Überreste davon weiterbestehen, etwa in den Rechtssymbolen, der HeraldikHeraldik und den Hoheitszeichen; freilich schaffen sich, was sich sowohl in der Spätantike als auch gegenwärtig gezeigt hat, neue allgemein gültige Inhalte immer wieder Symbole mit realistisch-magischer Kraft. Die symbolischen oder mythischen Formen haben manche Berührungspunkte mit der FiguraldeutungFiguraldeutung; beide erheben Anspruch auf Deutung und Ordnung des Lebens im ganzen, beide sind nur in religiösen oder verwandten Bezirken denkbar; doch fallen auch die Unterschiede sogleich ins Auge. Dem SymbolSymbol wohnt notwendig magische Kraft inne, der figura nicht; diese hingegen muß stets geschichtlich sein, das Symbol aber nicht. Selbstverständlich fehlt es auch dem Christentum nicht an magischen Symbolen; doch die figura als solche gehört nicht zu ihnen.39 In der Tat sind beide Formen überaus verschieden dadurch, daß sich die Realprophetie auf Geschichtsdeutung bezieht, ja von Haus aus Textinterpretation ist, das Symbol hingegen unmittelbare Lebens- und ursprünglich wohl meist Naturdeutung. Die FiguraldeutungFiguraldeutung ist daher in dieser Gegenüberstellung ein Erzeugnis von Spätkulturen, sehr viel mittelbarer, komplizierter, geschichtsbelasteter als das Symbol oder der Mythos; ja es eignet ihr, von hier aus gesehen, etwas Uraltes; denn es mußte erst sich eine Hochkultur vollenden, ja sie mußte schon Züge der Überalterung zeigen, bis aus der Interpretation, die selbst schon eine Überlieferung besaß, etwas wie die Figuraldeutung entstehen konnte.

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